Frankfurter Buchmesse 2020 

Tag 1: 14.10.2020

Erster Tag der Frankfurter Buchmesse - Special Edition 2020 

Das LZG besuchte auch 2020 wieder die Frankfurter Buchmesse, allerdings nur digital: In diesem Jahr pandemiebedingt leider ohne klassische Ausstellung in den Messehallen, dafür aber mit einem umfassenden Digitalangebot, das weltweit emfpang- und nutzbar ist. Unsere Eindrücke und Erfahrungen zu dieser sehr "besonderen" Buchmesse und noch mehr "Lesenswertes" finden Sie in den folgenden Berichten. Viel Vergnügen beim Lesen!




Eindrücke vom digitalen "Blauen Sofa" – von Jannika Kreutz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kristof Magnusson zu Gast auf dem »Blauen Sofa«.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein alter LZG-Bekannter: Nico Bleutge (links) im Gespräch mit Jörg Plath.

 

 

 

Auch der Hinweis auf den Grund für die diesjährige digitale Buchmesse durfte nicht fehlen.

Die diesjährige Buchmesse fand überwiegend online statt, was für mich unerwartet praktisch war. Das neue Format erlaubte mir, trotz plötzlich eingetretener Erkältung, an den Veranstaltungen der Messe teilzuhaben und diese mit einer Tasse Tee bequem vom Sofa aus mitverfolgen zu können. Die digitale Messe dürfte aber auch vielen anderen eine Teilnahme ermöglicht haben, die in Präsenz schwierig geworden wäre. Berufstätige konnten nach Feierabend einige der Onlineveranstaltungen sehen oder Aufzeichnungen bereits vergangener schauen. Interessenten an einzelnen Programmpunkten hatten die Möglichkeit, diese gezielt zu betrachten, ohne ein Tagesticket erwerben zu müssen. Das Onlineangebot der Buchmesse war durchgehend kostenlos und frei zugänglich, lediglich einige wenige Veranstaltungen konnten nur vor Ort in Frankfurt mit einem Ticket besucht werden.

 

Der erste Buchmessetag war für mich, was das Programm anbelangt, besonders relevant. Auf dem »Blauen Sofa« gab es nicht nur ein Gespräch mit Nico Bleutge, der schon 2014 und 2019 beim LZG zu Gast war, auch Kristof Magnusson, der am 12.11. zur Lesung ins LZG kommen wird, war zum Gespräch eingeladen.

Pünktlich um 12 Uhr saß ich also vorm Bildschirm, um mir das Gespräch mit Magnusson anzusehen. Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, da ich noch nie einen Liveauftritt des Autors gesehen hatte, war aber dennoch überrascht, als die Unterhaltung begann. Unterbewusst hatte ich wohl mit einem formellen Gespräch gerechnet, das sich ausschließlich mit Magnussons Werk »Ein Mann der Kunst« befasst. Ganz falsch lag ich damit nicht, aber das Gespräch verlief deutlich aufgeschlossener, als von mir erwartet. Magnusson trat locker auf und scherzte mitunter über seine eigenen Charaktere. Es wurde nicht nur über den Inhalt des Werks berichtet, auch Zielgruppen und Interpretationsmöglichkeiten wurden besprochen. Dem Autor schien es wichtig, zu erwähnen, dass sein Buch nicht rein satirisch aufzufassen sei, auch wenn einige Passagen durchaus darauf schließen lassen könnten. Allgemein begrüße er aber auch, dass es verschiedene Lesarten gäbe; die Vielfalt bei der Interpretation sieht er als Gewinn. Die Beziehung des nicht real existierenden Hauptcharakters mit den realen Vorlagen anderer Charaktere und Umgebungen werden dabei ebenso diskutiert wie das Verhältnis von Politik und Kunst. Beim Zuhören bekam ich zunehmend das Gefühl, dass die Arbeit am Werk dem Autor Spaß gemacht hat, aber auch viel Recherche erforderte. Letzteres wird bestätigt, als auf die zahlreichen Museumsbesuche Magnussons hingewiesen wird, die er als durchaus relevant für das Schreiben und eine möglichst realistische Darstellung einstufte. Die Unterhaltung auf dem Blauen Sofa hat mich nicht nur neugierig auf das vorgestellte Werk gemacht, auch im Hinblick auf die kommende Lesung beim LZG war es interessant, mehr über den Autor und dessen Schreiben zu erfahren. Besonders dadurch, dass sich die Veranstaltung am 12.11. mit zwei Kriminalfällen befassen wird, ist deutlich geworden, dass Magnusson sich an verschiedene Szenarien heranwagt, was die Werke des Autors für ein breites Publikum attraktiv macht.

 

Knappe zwei Stunden später befinde ich mich wieder beim digitalen »Blauen Sofa«, diesmal warte ich gespannt auf das Gespräch mit Nico Bleutge. Hier bringe ich etwas mehr Vorkenntnisse mit und freue mich auf ein interessantes Gespräch über Gedichte. Kaum hat die Veranstaltung begonnen, werde ich jedoch überrascht: Es geht nicht direkt um Gedichte, sondern eher um deren Entstehung. Es ist von einer Gesamtwahrnehmung der Dinge die Rede, von einer Aufmerksamkeit beim Beobachten, die das Schreiben beeinflusst. Beobachtung, Gedächtnis und entgrenzte Aufmerksamkeit sind drei Themen, die Bleutge eng mit seinem Werk »Drei Fliegen. Über Gedichte« verknüpft. Der Autor erzählt offen darüber, dass er bereits als Kind gelernt hat, aufmerksam zu beobachten. Die Objekte seiner Aufmerksamkeit waren mitunter Tiere, die uns im Alltag oft begegnen und denen wir meist nur wenig Aufmerksamkeit schenken: Fliegen. Die detaillierte Betrachtung und die damit Verbundene Entdeckung eines neuen Blickwinkels halfen dem Autor dabei, auch beim Schreiben eine neue Perspektive einzunehmen und Beschreibungen treffender formulieren zu können. Bleutge geht auch auf die sprachliche Qualität und ihre enorme Bedeutung ein. Rhythmus, Klang und Deutungsmöglichkeiten werden als mit der Beobachtungsfähigkeit verknüpft angesehen. Ich finde den Gedanken, ein Gedicht auf dieselbe Weise wie ein Tier zu betrachten, interessant. Es gewinnt allein dadurch an Lebendigkeit, und ebenso wie man bei einem Tier untypisches Verhalten erkennen kann, kann man auch bei einem Gedicht über das Metrum stolpern und hinterfragen, was dazu geführt hat, dass es so gewählt wurde. Das kann unmittelbar zur Deutung führen. Ähnlich wie Magnusson bemerkt auch Bleutge, dass ein Schreiben ohne Recherche kaum stattfinden kann. Er selbst nehme beispielsweise Lexika zur Hand, um nach unterschiedlichen Sprachmöglichkeiten zu suchen.

 

Beide Veranstaltungen gehen nicht nur auf den Inhalt der Schriften - sei es nun in Form von Prosa oder Lyrik - ein, die Autoren befassen sich auch mit Vorbereitung, Interpretation und Rezeption ihrer Werke. Beide scheinen bereits beim Schreiben darauf bedacht zu sein, die Reaktionen ihrer Leser zu bedenken und anhand der erwarteten Wirkung entsprechende Gestaltungsfragen zu entscheiden. Ich persönlich konnte aus den Gesprächen mehr mitnehmen als bloße Buchvorstellungen. Ich wurde positiv überrascht und freue mich schon darauf, in das eine oder andere Werk der Autoren reinzulesen.


Mein digitaler Buchmessetag – von Laura Wagenbach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kristof Magnusson stellt seinen neuesten Roman vor. Mit ins Bild hat es auch das aktuelle LZG-Programm geschafft, das die Veranstaltung am 12.11. ankündigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mein eigenes Exemplar von Margaret Atwoods »The Handmaid’s Tale«, das nach meiner Abschlussarbeit mit Klebezetteln gespickt ist.

 

 

 

 

 

Der diesjährige Besuch der Buchmesse stellt wohl das genaue Gegenteil zu meinem Besuch im letzten Jahr dar: Weder volle Messehallen noch persönliche Gespräche oder Autogramme sind möglich. Auch das Schlendern von Stand zu Stand entfällt, bei dem man z.B. von außergewöhnlichen Gesprächsrunden der kleinen, aber nicht weniger interessanten Ständen unabhängiger Verlage überrascht wird. Das ein oder andere kostenlose »Goodie« wie Kugelschreiber, Klebezettel und Lesezeichen – für die ich als Studentin auf jeden Fall Verwendung finde – bleiben dieses Mal leider auch aus...

So beginnt der erste Tag meines Buchmessenbesuchs bei mir zuhause auf dem Sofa – genauer gesagt dem »Blauen Sofa«.

 

Um 12 Uhr war dort Kristof Magnusson zu Gast, der seinen neuesten Roman »Ein Mann der Kunst« vorstellte, in dem er die Untiefen des Literaturbetriebs ausleuchtet. Beim LZG wird Magnusson am Donnerstag, den 12.11., zwei seiner Geschichten aus dem Sammelband »LiES!« lesen, die in Einfacher Sprache geschrieben sind.

 

Obwohl Kanada seinen physischen Auftritt auf der Buchmesse auf das nächste Jahr verschoben hat, bot das diesjährige Gastland virtuelles Ersatzprogramm an. Um 13 Uhr folgte ein Gespräch mit Stéphane Dion, Botschafter von Kanada, und Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, die sich über die einzigartige Vielfalt der kanadischen Literatur- und Kulturszene und die Vielsprachigkeit Kanadas unterhielten. Das diesjährige Motto spiegelt diese Vielfalt wider: »Singular Plurality - Singulier Pluriel«

 

Direkt im Anschluss, um 13:30 Uhr, war Anne Weber, die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2020, auf der ARD-Buchmessenbühne zu sehen. Das Gespräch wurde live aus der Frankfurter Festhalle übertragen, in der nach vorherigem Hin und Her für die Dauer der Messe kein Publikum zugelassen war. Weber wurde in diesem Jahr für ihren Roman »Annette, ein Heldinnenepos« ausgezeichnet und gab auf der Bühne nun Einblicke in die Hintergründe des Romans, der in Versform die Lebensgeschichte der französischen Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir erzählt.

 

Mein persönliches Highlight stellte das Gespräch mit der kanadischen Schriftstellerin und Dichterin Margaret Atwood um 15:45 Uhr dar. Sie arbeitet nach dem Ansatz, nichts in ihren Romanen zu verwenden, was nicht auf wahren Fakten aus der Menschheitsgeschichte basiert, so grausam diese teilweise auch sein mag. Durch die Neuverfilmung ihres Romans »The Handmaid’s Tale« (»Der Report der Magd« in der deutschen Übersetzung) im Jahr 2017 erlangte dieser bei einem breiteren Publikum erneut Beachtung. Sie sprach unter anderem über das virtuelle Projekt »Signals of Hope« der Frankfurter Buchmesse und auch darüber, was Hoffnung für sie in der heutigen Zeit und auch im Hinblick auf die derzeitige Pandemie-Situation bedeutet.

 

Ein digitaler Besuch kann den physischen Aufenthalt natürlich nicht ersetzen. Trotzdem gaben sich die Organisatoren große Mühe, flexibel auf die momentane Situation zu reagieren und ein bestmögliches Erlebnis zu garantieren.

Ein Gutes hat der digitale Besuch allerdings schon, wie ich zugeben muss: Auf die volle Regionalbahn verzichte ich gerne!


Das LZG ist auch in diesem Jahr "auf" der Frankfurter Buchmesse für Sie dabei.
Das LZG ist auch in diesem Jahr "auf" der Frankfurter Buchmesse für Sie dabei.

Tag 2: 15.10.2020

Zweiter Tag der Frankfurter Buchmesse - Special Edition 2020 

Auch am zweiten Tag gab es für uns ein umfangreiches digitales Programm und vielseitige Veranstaltungen zu entdecken. 
Hier nun ein paar weitere Eindrücke...




Mein digitaler Buchmessetag: Ungewöhnlich, aber dennoch fesselnd – von Tabea Knispel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Talkreihe »Streiterinnen« in diesem Jahr gemütlich mit einer Tasse Kaffee...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

»Es wird Zeit! – Generation Greta und die Politkultur der jungen Generation«

 

 

 

 

 

 

 

 

Einige Vorteile hat es schon, wenn man sich bei dem ungemütlichen Wetter der letzten Tage mit einem heißen Kaffee und ein paar Kerzen an seinen eigenen Schreibtisch setzen kann und trotzdem  allerlei Kultur erleben darf.  
Schade ist es natürlich schon, dass wir die Frankfurter Buchmesse aufgrund der steigenden COVID-Infektionen nicht in ihrem vollen Umfang erleben können, aber das Online-Programm verspricht eine abwechslungsreiche Vielfalt verschiedenster Bereiche innerhalb der Kultur. Mein besonderes Interesse gilt dabei natürlich den umfassenden Literaturveranstaltungen, die aufgrund ihrer Vielzahl zunächst etwas überfordernd wirkten.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten bekam ich dann doch relativ schnell einen Überblick darüber, welche Veranstaltungen mich über den Tag hinweg begleiten sollten.


Auch mein Morgen begann mit Kristof Magnusson, der auch am zweiten Buchmessetag zu Gast in Frankfurt war und im Gespräch mit dem Moderator Ulrich Sonnenscheinich von seinem neuesten Roman »Ein Mann der Kunst« erzählte. Im Livestream der ARD-Buchmessenbühne erhielten die Zuschauer einen Einblick in die Ideenwelt Magnussons rund um seine satirische Darstellung der Kunstbranche innerhalb des Romans.

Auch wir vom Literarischen Zentrum freuen uns, Kristof Magnusson am 12.11. im Rahmen der Veranstaltung »Lies! – Lesung in einfacher Sprache« empfangen zu dürfen. Der Livestream weckte in mir somit noch mehr Vorfreude auf einen wirklich sympathischen Autor.

 

Auf meine nächste Veranstaltung freute ich mich besonders. Im Zuge der Talkreihe »Streiterinnen«, welche in diesem Jahr bereits in die dritte Runde ging, werden aktuelle Themen in von Frauen geführten Gesprächsrunden diskutiert – dieses Jahr insbesondere mit dem Fokus auf Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit. Unter dem heutigen Titel »Leben gegen Diskriminierung?!« erwartete die Zuschauer mit den Autorinnen Olivia Wenzel (»1000 Serpentinen Angst«â€‹) und Melisa Erkurt (»â€‹Generation haram – Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben«) sowie der Moderatorin Hadija Haruna-Oelker (hr) ein unfassbar interessantes Gespräch über Intersektionalität. Dabei wurde schnell klar, dass die Verortung von Diskriminierung nicht im Individuum selbst, sondern in gesellschaftlichen Strukturen zu finden ist. Melisa Erkurt betonte direkt zu Beginn des Gesprächs, dass ihr erst nach Jahren bewusst wurde, dass nicht sie das Problem sei, sondern das System und nimmt dabei insbesondere Bezug auf das Schulsystem, welches sie selbst als Lehrende erlebte. Ihre eigene Motivation Deutsch zu lernen bestand bereits früh darin, den Menschen zeigen zu können, was alles falsch läuft – erschreckend, wenn man fürchten muss, anders nicht vollkommen ernst genommen zu werden. Olivia Wenzel verwies in Bezug auf strukturelle Diskriminierung vor allem auf den Verlauf des Diskussionskurses, der in den Sozialen Medien hauptsächlich über Skandale getragen wird, was als falsche Lenkung deklariert werden kann. Einig ist man sich im Gespräch darüber, dass eine Gesellschaft, in der der Kurs von weißen, meist männlichen Akademikern bestimmt wird, nicht ernst genommen werden kann.
Am Ende der Diskussion bin ich froh, weitere Perspektiven auf eine unerlässliche Thematik bekommen zu haben und hoffe, dass neben mir viele weitere Menschen dabei zugesehen haben.

 

Nach einer kurzen Pause und einer frisch zubereiten Tasse Kaffee ging es in meinen Veranstaltungen ebenso spannend weiter: »Es wird Zeit! – Generation Greta und die Politkultur der jungen Generation« – eine Serienreihe des deutsch-französischen Kultursenders »arte« – lud ebenfalls zum Gespräch auf der ARD-Buchmessenbühne ein. Mit dem Kommentar, dass »arte« dort sein möchte, wo die Menschen sind, verwies Claire Isambert (arte) auf die von jungen Regisseur*innen verwirklichte Serienreihe zu aktuellen und bewegenden Themen. Schnell wurde im Verlauf des Gesprächs die Protestbewegung der Generation Z mit der der 68er-Bewegung verglichen. Im Vergleich zu damals haben die Jugendlichen heute einen viel schnelleren und einfacheren Zugang zu Wissen und das wissen viele sinnvoll zu nutzen, so die anwesenden Meinungen. Trotzdem habe jeder junge Mensch einen kleinen journalistischen Auftrag bei dem Umgang mit den Sozialen Medien, so Madita Hampe (Redaktionskollektiv Rubikon). Es sei wichtig, Inhalte »gegenzuchecken«  und achtsam mit Informationen umzugehen. Die Teilnehmer verwiesen hierbei auf die Wichtigkeit eines Schulfaches, welches sich mit Medienkompetenzen beschäftige, was natürlich schwierig sei, da die jüngeren Generationen meist mehr Verständnis in Bezug auf die Sozialen Medien hätten als die älteren. Auch die Diversität der Politkultur der jungen Generation Z wurde diskutiert sowie die mögliche Einführung einer »Jugendquote«, die neben der Frauenquote als unabdingbar für die Veränderung unserer Gesellschaft gelten sollte. Letztlich sei es enorm wichtig, den jüngeren Generationen mehr Verantwortung zutrauen zu müssen.

 

Mit dieser Veranstaltung ließ ich meinen Buchmessentag ausklingen. Trotz der online stattfindenden Version dieser Buchmesse blicke ich auf einen unfassbar interessanten und fesselnden und doch gewöhnlichen Tag an meinem Schreibtisch zurück, der mir viele neue Perspektiven eröffnete und in seiner Wirkung nachklingen wird. Auch in den nächsten Tagen werde ich dem Geschehen der Frankfurter Buchmesse meine Aufmerksamkeit schenken und freue mich bereits auf viele weitere Eindrücke rund um das Thema Kultur.


Mein digitaler Buchmessetag – von Ronja Wolff

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sandra Gugiæ spricht über ihren autobiographisch gefärbten Roman »Zorn und Stille«.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christine Watty (links) spricht mit Ijoma Mangold und Susan Arndt über Sexismus, Gender und Culture Cancelling und die Auswirkungen auf die Literatur.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wolfram Eilenberger ist ein gefragter deutscher Intellektueller.  In »Feuer der Freiheit« spricht er über vier außergewöhnliche Frauen, die in finsterer Zeit für unsere Freiheit kämpften. 

Die Buchmesse versprach in diesem Jahr interessant zu werden: Ein neues Format, freier Zugang für jeden und das bequem von zu Hause aus - oder, wie in meinem Fall, erst einmal vom Büro aus...

Die erste Veranstaltung, die ich mir ansah, begann um 10:20 Uhr. Ich sah sie mir im Büro auf meinem Handy an. Sandra Gugiæ, eine österreichische Autorin mit serbischen Wurzeln, erzählte beim Blauen Sofa von ihrem zweiten Roman »Zorn und Stille«. Sie saß mit Sicherheitsabstand von der Moderatorin, Vivian Perkovic, auf dem wohlbekannten Möbelstück. Zuschauer waren keine da. Ich saß gut 50 km entfernt von ihr mit Kopfhörern im Bürostuhl, den Blick auf den kleinen Bildschirm gerichtet. Während ich zuhörte, machte ich ein paar Screenshots. Es war eine neue Erfahrung und dann auch wieder nicht. An Onlineseminare hat sich inzwischen wohl jede/r Student*in gewöhnt, aber hier schien mehr zu fehlen: Die Stimmung der Frankfurter Buchmesse, von der man so viel hört, die Aufregung und der geschäftige Trubel.

Auf dem Bildschirm erzählte Sandra Gugiæ von ihrem Buch und von ihrem Leben. Zwar ist der Roman nicht autobiographisch, aber Zusammenhänge gibt es genügend, denn wie ihre Protagonisten kam auch Gugiæs Familie von Serbien nach Wien. In »Zorn und Stille« beschreibt sie die Suche nach einem besseren Leben aus der Perspektive verschiedener Generationen und in einer Zeit, in der viele teils gegensätzliche Ereignisse parallel verlaufen: ein wiedervereintes Europa und gleichzeitig der Zerfall Jugoslawiens, offene Grenzen zwischen Osten und Westen, aber auch ein Aufstieg das Nationalismus in Serbien und Österreich. Damit ergibt sich auch eine schöne Analogie zur aktuellen Lage...

Das Interview endete damit, dass sich Gugiæ und Perkovic für den Schnitt anschauten und lächelten. Für mich hieß das: Handy aus, Kopfhörer wieder wegpacken und schon war ich von der Buchmesse zurück im Büro des LZG.
Bis 14 Uhr arbeitete ich und ging dann einkaufen - wie an einem ganz normalen Tag.

 

Als ich zu Hause war, wollte ich zurück zur Buchmesse, wieder einsteigen, diesmal vom heimischen Computer aus, das Handy nur für Screenshots neben mir. Um kurz vor 15 Uhr lud ich die Skype-Lesung von Jannis Raptis. Ich wartete, aber nichts passierte. Nach ein paar Versuchen wurde klar, dass es nicht funktionierte. Aus dem Chat entnahm ich, dass andere die Lesung sehen konnten, nur bei mir tat sich nichts. Nach fünfzehn Minuten gab ich auf und ging stattdessen auf die Seite von »Literadio«, um mir eine Lesung mit Interview von Barbara Rieger anzuhören. Hinter dem provokativen Titel »Friss oder Stirb« verbirgt sich ein kritischer und realitätsnaher Roman über Bulimie. In den Szenen, die Rieger vorlas, wurde deutlich, wie sehr das Leben der Protagonistin Anna von Essen bestimmt wird. Ihre Gedanken schwirren immer wieder zurück zu diesem einen Thema, zu Essen und zu ihrem Bauch, und dem Drang, sich zu übergeben. In einem Wechsel aus Selbstreflektion, dem Wunsch, ihrer Esstörung zu entkommen, und Kontrollverlust beschreibt Rieger einnehmend, wie Bulimie verlaufen kann, wie sie sich festsetzt und das Leben der Betroffenen beeinflusst. Während sie las, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, etwas von dieser Buchmesseaufregung mitzubekommen.

 

Danach begann direkt die »Blaue Stunde« beim ZDF. Ich hatte nur wenige Minuten Zeit, um zu wechseln, aber online war das kein Problem. Ein paar Klicks und schon war ich in einem anderen Raum, bei einem ganz anderen Thema. Wieder saßen alle in Sicherheitsabstand auf ihren blauen Möbeln. Aus den drei Autor*innen waren zwei geworden. Wegen der Pandemie konnte Ilona Hartmann nicht an dem Gespräch teilnehmen, eine spannende Diskussion zum Thema Sexismus, Gender und Culture Cancelling entstand trotzdem. Die beiden Autor*innen, Ijoma Mangold (»Der innere Stammtisch«) und Susan Arndt (»Sexismus«), waren beeindruckend selten einer Meinung, aber gerade das machte es spannend, ihnen zuzuhören. Insbesondere das Thema Sprache wurde aufgegriffen. Dass Sprache wichtig ist, da waren sie sich einig, aber ob man sie deswegen einschränken und dirigieren oder doch lieber ganz unbeeinflusst lassen sollte, da kamen sie nicht auf einen Nenner. Das Gespräch zeigte vor allem, wie unterschiedlich Begriffe wie »Diversität«, »Cancel Culture« und »Inklusivität« verstanden werden. Es war eine Diskussion, die dazu anregt, beide Seiten zu bedenken, und die damit wahrscheinlich genau das schaffte, was beide Autor*innen sich von ihren Büchern erhoffen.

 

Danach hörte ich mir noch eine kurze Lesung von Uta Baumeister aus »Der Klang der Schwalbe« an, einem historischen Roman, der den Weg eines Kriegsdienstverweigerers während des Zweiten Weltkrieges nacherzählt. Der Anfang des Buches zeigt sich stimmungsvoll, bis die unausweichliche Wendung kommt, die von Krieg und Widerstand und schließlich dem Verrat erzählt, der zur Verhaftung des Protagonisten Ruurd führt.

 

Bis zu meinem letzten Programmpunkt um 20 Uhr hatte ich noch Zeit, also kochte ich mir etwas. Als es losging, war ich noch nicht fertig mit essen, aber das machte nichts: Bei manchen Dingen hatte das Onlineformat auch seine Vorteile.
Wolfram Eilenberger erzählte in »Feuer der Freiheit« die Geschichte von vier Philosophinnen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Er erklärte, warum er diese vier Frauen ausgewählt hat: weil sie ihre Philosophie lebten und weil sie trotz widriger Umstände hinterfragten, sich mit den Problemen ihrer Zeit auseinandersetzen und dabei zu faszinierend unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Im Gedächtnis blieben mir vor allem Ayn Randt und Simone Weil, die ich vorher beide nur vom Hören kannte. Beide Frauen setzten sich mit ähnlichen Fragen auseinander, aber während Weil die Auslöschung des Individuums als Lösung sah, schlug Randt den gegenteiligen Weg des radikalen Egoismus ein. Gerade diese Diskrepanz machte die Lesung interessant.

Der Abend endete mit etwas zum Nachdenken. Nachdem ich meinen Computer ausgeschaltet hatte, blieb mir Eilenbergers Buch noch im Kopf. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag dachte ich mir: Wie schade, dass ich mir die Bücher nicht kaufen kann, von denen ich den ganzen Tag höre.

 

Wenn die Buchmesse vorbei ist, wird es Zeit für einen Besuch im Buchladen!

 




Tag 3: 16.10.2020

Dritter Tag der Frankfurter Buchmesse - Special Edition 2020

Auch der dritte Tag hielt ein breites thematisches Spektrum für alle Interessen und Fachgebiete bereit.
Wir berichten für Sie über einige unserer Highlights des digitalen Live-Programms...


Eine Detailbetrachtung: Die SWR-Bestenliste – von Jannika Kreutz

 

Ausschnitt aus der Diskussionsrunde. Im Bild zu sehen (von links nach rechts): Ewald Falke, Carsten Otte, Beate Tröger, Jan Wiele 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ewald Falke (links) und Carsten Otte (rechts) mit einem kleinen Büchertisch, um in den Werken blättern zu können.

Der dritte Buchmessetag stand für mich ganz im Zeichen der SWR Bestenliste bei OPEN BOOKS, die am Freitagabend in der Zeit von 20-21 Uhr vorgestellt wurde. Über den digitalen Zugriff nahm auch ich daran teil, in der Hoffnung auf lebhafte Diskussionen und die ein oder andere Buchempfehlung, die mein Interesse wecken würde. Moderiert von Carsten Otte, wurden ausgewählte Werke der Bestenliste näher betrachtet. Die Jurymitglieder und Diskussionsteilnehmer waren die Literaturkritiker*innen Beate Tröger, Ewald Falke und Jan Wiele. Da die Veranstaltung auch für eine Ausstrahlung im Radio gedacht war, ist zu bemerken, dass die Akustik auch beim Vorlesen von Textpassagen sehr gut war.

Insgesamt wurden vier der zehn Bücher der außerhalb der Buchmesse noch nicht veröffentlichten SWR Bestenliste für Oktober vorgestellt.

 

Begonnen wurde mit der Präsentation des neunten Platzes, einem Gedichtband mit Werken von Elke Erb, die in diesem Jahr mit dem begehrten Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde. Erb wurde besonders dafür gelobt, dass sie doppelt reflektiert, also bereits geschriebene Gedichte mitunter nochmals überarbeitet und aufgreift. »Das ist hier der Fall. Ausgewählte Gedichte der Georg-Büchner-Preisträgerin 2020« ist ein von Steffen Popp und Monika Rinck zusammengestelltes Werk, das am 26.10. herausgegeben werden soll. Es gewinnt auch dadurch an Wert, dass die Gedichte Elke Erbs zuvor oft nur in Werken mit geringer Auflage gedruckt worden sind und durch die neue Veröffentlichung die Möglichkeit besteht, auch zuvor schwer zu findende Gedichte der Autorin zu lesen.

 

Es folgte die Vorstellung des fünften Platzes: »Dresden: Die zweite Zeit« ist ein Werk von Kurt Drawert, dessen Inhalt Kritik äußert – etwa Kritik an Ideologien, Gesellschaft und Politik. Die Jury bemerkte, dass der Autor deutlich eigene Erfahrungen in das Werk hat einfließen lassen. Als Kritik am Werk bzw. an der starken Eigeneinbindung des Autors in seinen Text geäußert wurde, fiel mir hier erstmals auf, dass das digitale Format einen Verlust mit sich bringt. Dieser besteht in der verminderten Wirkung der Sprechenden auf das Publikum. Zuvor war das Format deutlich so gewählt, dass es für eine Radioausstrahlung ohne Bild geeignet war, doch insbesondere bei den lebhaften Diskussionen fiel auf, dass die Gestik der Sprecher ihre Aussagen teilweise anders hervorhob, als dies rein über die Stimmlage möglich gewesen wäre. Die Kameraführung ermöglichte es zwar, die Gestik zu deuten, doch stellenweise war der Kamerawinkel so gewählt, dass Gestik kaum oder überhaupt nicht zu sehen war.

Der fünfte und der zweite Platz teilten die Gemeinsamkeit, dass diskutiert wurde, inwiefern man die Werke als Romane bezeichnen kann. Ich wunderte mich zunächst, dass soviel Wert auf die Bezeichnung gelegt wurde, gelangte jedoch mit zunehmender Diskussionslänge zur Erkenntnis, dass der Aufdruck »Roman« für viele potenzielle Käufer ansprechender sein dürfte als beispielsweise die Aufschrift »Recherchebericht». Mir wurde jedoch auch zunehmend klar, dass die Grenzen bei der Benennung zunehmend verschwimmen, da jede Gattung zwar eigene Merkmale besitzt, diese sich aber durchaus überschneiden können und oft gar nicht so deutlich erkennbar sind, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. »Aus der Zuckerfabrik« von Dorothee Elmiger ist eines dieser Werke, bei denen die Gattungsgrenze nicht ganz klar ist. Wie auch beim vorangegangen vorgestellten Werk ist hier Gesellschaftskritik im Buch enthalten. Was das Buch jedoch besonders originell macht, ist seine Erzählweise: Die Ereignisse scheinen nicht immer direkt zusammenhängend, aber eine gewisse Verknüpfung könne dennoch nicht geleugnet werden – das Werk arbeite mit ästhetischen Zusammenhängen, so Wiele.

 

Den ersten Platz einer Bestenliste zu betrachten, ist für mich immer etwas Besonderes: Ich freue mich einerseits darauf zu erfahren, welches Werk noch höher eingestuft wurde als die vorangegangenen. Besonders dann, wenn eines der vorangegangenen Werke für mich interessant klang, bin ich gespannt, was jetzt noch spannender, noch reizvoller sein könnte. Auf der anderen Seite bin ich auch voller Erwartung, ob das vorgestellte Werk denn überhaupt etwas sein wird, was mein Interesse wecken kann und mich auf literarischer oder inhaltlicher Ebene ansprechen kann. Im Fall von Nell Zinks »Das Hohe Lied« kann ich tatsächlich nicht sagen, ob dieser erste Platz mich nun anzieht oder abschreckt. Es ist eine merkwürdige Mischung aus beidem, die das Werk in meinen Augen auf ungewohnte Art interessant werden lässt. Der Roman erzählt die Geschichte einer Familie über drei Generationen hinweg. Das führt dazu, dass innerhalb des Romans drei Einzelgeschichten entstehen, die unterschiedliche Themenschwerpunkte aufweisen. So ist darin von der Gründung einer Punkband bis hin zu den politischen Bewegungen innerhalb Amerikas und der heutigen politischen Lage der USA alles abgedeckt und über die auftretenden Figuren miteinander verknüpft. Erneut geht es um Gesellschaftskritik, aber auch um einzelne Charaktere und deren Werdegang. Kritisch, zynisch, aber auch genau beschreibend werden die Ereignisse des Romans von Nell Zink dargelegt. Etwas schade fand ich, dass ein meines Erachtens doch sehr zentraler Punkt der Erzählung gespoilert wurde. Doch davon abgesehen wurde der Inhalt so präsentiert, dass es sich dennoch lohnt, in das Buch zu schauen und sich eine eigene Meinung von dem zu bilden, was trotz ausführlicher Inhaltsbeschreibungen nicht ganz greifbar wurde und abstrakt blieb.




Tag 4: 17.10.2020

Vierter Tag der Frankfurter Buchmesse - Special Edition 2020 

Am letzten digitalen LZG-Buchmessetag wurde es noch einmal spannend: Das ganztägige BOOKFEST digital bot eine einzigartige virtuelle Kulturshow mit internationalen Teilnehmer*innen, die weltweit live ausgestrahlt wurde.
Erlebnisse und Eindrücke von Tag 4 finden Sie hier...


Mein digitaler Buchmessetag: Eine umfassende Betrachtung – von Ronja Wolff

 

 

Der LZG-Auftakt am Messesamstag: Vincent Kliesch spricht über »Auris« und »Die Frequenz des Todes«.

 

 

 

 

 

 

 

Ursula Poznanski (hier per Screenshot eingefangene Momentaufnahme der Autorin).

 

 

Etwas philosophischer wurde es dann beim Vortrag »G*tt w/m/d - Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten«.

 

Knallharte Spannung, intelligente Twists: Frank Kodiak trifft Alter Ego Andreas Winkelmann.

 

Ausschnitt aus der Graphic Novel »Qualityland«, die auf dem Bestseller von Marc-Uwe Kling basiert.

 

Doris Akrap (taz, rechts im Bild) im Gespräch mit Maik Fielitz und Holger Marcks.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine gute Alternative zu Marie-Luise Wolff: Johannes Bröckers

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Messesamstag begann für mich gemütlich um 9:30 Uhr auf meinem Lieblingssessel, mit meiner Lieblingstasse und einer vollen Kanne Tee. Vincent Kliesch saß alleine in einem Raum mit seinen Büchern und einem Zettel, auf dem er sich Leserfragen notiert hatte und las aus dem zweiten Teil der »Auris«-Reihe vor. Der Thriller wurde im Zuge des Krimi-Tages der Verlagsgruppe Droemer Knaur vorgestellt, von denen ich noch zwei weitere eingeplant hatte. Bei »Die Frequenz des Todes« geht es, wie schon im ersten Teil, um den phonetischen Forensiker Matthias Hegel und die True Crime-Podcasterin Jula Ansorge. Kliesch las aus dem ersten Kapitel vor, in dem eine Mutter das Bett ihres Kindes leer vorfindet. Kein Baby, dafür jede Menge Blut und Stille. Bereits im ersten Kapitel stellte Kliesch Geräusche als wesentlichen Stimmungsträger vor - ein Motiv, das sich durch den ganzen Roman zieht und hervorragend zum Phonetiker Hegel passt.

Das Interview endete viel früher als gedacht und aus den geplanten 45 Minuten wurden 20 - leider nicht das erste oder letzte Mal bei dieser Buchmesse. Ich fragte mich, was neben der sonst so typischen Buchmessenstimmung und der physischen Anwesenheit von Büchern noch alles verlorenging...

 

Nach einer Frühstückspause und noch mehr Tee ging es um 12:30 Uhr ähnlich spannend und düster mit Ursula Poznanski weiter. Sie las in einer Onlinekonferenz mit Günter Keil aus »Vanitas – Grau wie Asche« vor, ebenfalls der zweite Band einer Thrillerreihe. Die Protagonistin Carolin aus dem ersten Teil wird in die Ermittlungen um eine Reihe von satanischen Grabschändungen hineingezogen. Aus dem ersten Band ist bereits bekannt, dass an der Blumenhändlerin mehr dran ist als es zuerst den Anschein hat und auch in der Fortsetzung wird ihre Vergangenheit weitergesponnen, als sie ins Visier der Polizei gerät. Mein Thriller-Samstag hatte damit eine packende Fortsetzung bekommen.

 

Nach zwei Thrillern in Folge sah ich mir eine Diskussion zu einem ganz anderenThema an: Der Nünnerich-Asmus Verlag veranstaltete eine Diskussion zum Thema Gott und Geschlecht. Bei »G*tt w/m/d« diskutierten Petra Weitzel, erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, Religions- und Geschichtswissenschaftler Sven Lichtenecker und Theologe Veit Dinkelaker über das Thema Geschlecht von der Antike bis heute. Unter anderem wurde dabei den Fragen nachgegangen, ob man sich Gott denn wirklich als alten, weißen Mann mit Bart vorstellen kann und vor allem, woher diese Vorstellung kommt. Dabei entstand ein faszinierendes Bild aus archäologischen Funden, soziologischen Theorien und Bibelinterpretationen.

 

Danach hatte ich wieder etwas Zeit. Die Phasen, die ich auf einer normalen Buchmesse wohl mit Erkundungen und Raumwechseln verbracht hätte, wurden stattdessen für das Heranschaffen von genügend Tee und Snacks sowie für die Social-Media-Präsenz genutzt. Um 15:30 Uhr ging es dann weiter mit meinem dritten und für heute letzten Thriller der Verlagsgruppe Droemer Knaur: Andreas Winkelmann stellte gemeinsam mit seinem Alter Ego Frank Kodiak dessen neuen Roman »Amissa« vor. Das Interview mit sich selbst hat der Autor humorvoll aufgebaut, mit kleinen Spitzen zwischen sich und seinem Pseudonym, aber auch jeder Menge Fragen zum Buch. In »Amissa« geht es internationaler zu als in den zuvor genannten Thrillern. Zwei Privatdetektive kommen auf die Spur einer Hilfsorganisation, die weltweit nach vermissten Personen sucht - und dabei anscheinend selbst in Vermisstenfälle verwickelt ist...

 

Da jede Lesung nur ein paar Klicks entfernt war, schaute ich mir noch die Buchvorstellung von Marc-Uwe Kling an. In nur fünf Minuten zeigte er Ausschnitte aus der neuen Graphic Novel zu »Qualityland«, die genauso unterhaltsam aussieht wie die Romanversion.

Da mein Abendprogramm dicht geplant war, nahm ich mir vor der nächsten Veranstaltung Zeit zum Kochen. Nach einer halben Stunde Serie und leckerem Essen war ich bereit für die ernsteren Themen des Tages.

 

 

 

Um 18 Uhr sprachen Maik Fielitz und Holger Marcks über ihr Buch »Digitaler Faschismus – Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus«. Wie der Titel schon verrät, setzen sie sich darin ausführlich mit dem Einfluss der sozialen Medien auf das Wachstum faschistischen und rechtspopulistischen Gedankenguts auseinander. Besonders interessant für mich persönlich war die Erklärung dazu, welche Techniken Rechtspopulisten nutzen, um im Internet mehr Menschen zu erreichen und diese in ihrem Denken zu legitimieren. Jeder, der Soziale Medien nutzt, wird sich in ihren Beschreibungen wiederfinden.

 

 

Direkt im Anschluss hörte ich mir zwei Lesungen von »Tolino Media« an. In gewisser Weise das Überraschungsprogramm des Tages, da man zu den Selfpublisher-Autoren kaum Informationen findet. Zudem kam das Abtauchen in zwei einnehmde, wenn auch finstere Geschichten nach der politischen und sozialkritischen Diskussion über Faschismus genau richtig. Um 19 Uhr las Moritz Hirche aus  »Aussätzig«, einem Thriller, der von der ersten Seite an beklemmend den Tod von vier Menschen in den einsamen Teilen Norwegens aufklärt. Eine halbe Stunde später las Katrin Ils aus »Das Rot der Nacht«, einem Fantasyroman, der sich nahtlos in die düstere Stimmung ihrer anderen Bücher einreiht. 

 

Pünktlich um 20 Uhr war ich bei der Live-Übertragung von Openbooks. Leider erwartete mich dort nicht wie erwartet Marie-Luise Wolff mit ihrem Buch »Die Anbetung – Über eine Superideologie namens Digitalisierung«. Sie war wegen Corona verhindert. Da alle da waren und die Sendezeit frei war, übernahm der Moderator Johannes Bröckers. Er selbst hat mit »Alexa, ich mach Schluss mit dir!« erst vor kurzem ein Buch zu einem ähnlichen Thema herausgebracht. Zwar deckt er damit nur einen Teilaspekt dessen ab, was »Die Anbetung« behandelt, aber es wurde trotzdem eine interessante Lesung zum Thema Technikmonopole, insbesondere bezogen auf Amazon. Auch wenn es zwischenzeitlich wegen fehlender Moderation in einen Monolog ausartete, ergab sich aus den Publikumsfragen noch ein informationsreiches Gespräch zum Thema.

 

Ich ging mit gemischten Gefühlen aus der letzten Lesung. Die diesjährige Buchmesse war mit Sicherheit ungewöhnlich, vielleicht eine einmalige Sache, vielleicht der Anfang einer allgemeinen Umstrukturierung. Wie bei allen Onlineformaten dieses Jahr gab es Nachteile: Kein Kontakt zu Menschen, keine geteilte Aufregung und keine Bücher zum Kaufen und Verschlingen. Trotz allem, was gefehlt hat, konnte ich so viele interessante, spannende, informative und packende Geschichten und Diskussionen hören wie wohl nirgendwo sonst.



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