Leipziger Buchmesse 2018 

Tag 1: 15.03.2018

Erster Tag der Leipziger Buchmesse 2018 – eine vielfache Betrachtung

Das LZG besuchte auch in diesem Jahr wieder die Leipziger Buchmesse. In den folgenden Berichten können Sie einen Einblick in die Eindrücke und Erfahrungen des Teams bekommen. Viel Vergnügen beim Stöbern! 




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Tolles Cosplay des Guardians of the Galaxy Helden »Star-Lord«

 

 

 

 

 

Gespräch mit Jens Harder über seine Graphic-Novel Gilgamesch

 

SERAPH-Preisträger für das beste Buch: Michael Marrak mit Der Kanon mechanischer Seelen

Mein Buchmessetag – von Alex Günter

Die Fahrt zur Leipziger Buchmesse fühlte sich bereits zu Beginn meines Praktikums im Literarischen Zentrum als das zu erwartende Highlight an. Als ich am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr aufwachte, da musste ich recht schnell einen leichten Lacher von mir geben. Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile blieb die »Snoozefunktion« an meinem Handy ungenutzt und ich stieg euphorisch aus meinem Bett. Es war eine Mischung aus positiver Anspannung und dem Willen, die Zeit auf der Buchmesse effizient zu nutzen. Die Fahrt nach Leipzig war toll, denn trotz der frühen Abfahrt waren wir alle gut gelaunt. Nachdem wir im Hostel eingecheckt haben ging es weiter zur den Messehallen. Dort trafen wir die letzten Vorkehrungen, besprachen uns noch kurz und dann ging es endlich los.

Als absoluter Liebhaber der grafischen Kunst, die auf der Leipziger Buchmesse reichlich vertreten war, bog ich direkt in Halle 1 (Manga-Comic-Con) ab. Dort wollte ich mir die Cosplays anschauen, denn Fans, die sich für ihre Leidenschaft verkleiden und in einen Charakter eintauchen, um diesen zu präsentieren, das fasziniert mich ungemein. Die ersten Eindrücke waren grandios. Viele mir bekannte Charaktere waren vertreten und zum Teil waren die Kostüme auf einem sehr hohen künstlerischen Level. Positiv fiel mir auf, dass die japanische Verkleidungskunst generationsunabhängig zu sein schien. Beinahe jede Altersklasse war vertreten und es gab mehrere Spots, wo sich die Cosplayer geschlossen niederließen.

Weiter ging es in Richtung Halle 5, denn dort wird ausgestellt was mich literarisch am meisten bewegt: Graphic Novels. Zunächst schlenderte ich für erste Eindrücke durch die Gänge und begann dann gezielt nach Verlagsständen zu suchen, deren Publikationen mich am meisten interessieren. Als erstes ging ich zu bahoe books, wo eine meiner liebsten Graphic Novels, Carlo Vive, die ich unter anderem in meine BA-Thesis einbezog, erschien. Das Gespräch am Stand war großartig. Einer der Mitarbeiter erzählte mir von seinen Erfahrungen bezüglich der sich deutlich unterscheidenden Beliebtheitsgrade von Graphic Novels im europäischen Raum. »In Italien, Belgien und Frankreich berichten selbst die großen Tageszeitungen von Neuerscheinungen und auch die Anzahl an verkauften Werken ist deutlich höher als in Deutschland«, resümierte er. Danach zog es mich in Richtung Carlsen Comic, deren Stand direkt einen tollen Eindruck machte. Dort konnte ich mich kurz mit Jens Harder über sein Werk Gilgamesch unterhalten. Begeistert davon ließ ich mir sein folgendes Werkgespräch nicht entgehen. Dort gab er beeindruckende Einblicke in seine einzelnen Arbeitsschritte und berichtete von seinen Inspirationsquellen. »Interesse an der Geschichte von Gilgamesch hatte ich bereits in Studienzeiten, doch dauerte es noch, bis ich mich wirklich an die Arbeit machte«, erklärte Harder. Was den sprachlichen Stil angeht, so nutze Harder hauptsächlich eine Übersetzung der 30er-Jahre. So wollte er dem Leser auch sprachlich eine authentischere Version bieten, was durch eine zu moderne Sprache schwierig umzusetzen gewesen wäre.

 

Der Abschluss meines ersten Tages war die Preisverleihung des SERAPH – dem Literaturpreis für Phantastik. Ausgezeichnet wurde das beste Buch, der oder die beste Independent AutorIn und das beste Debüt. Es war toll zu sehen, wie emotional die SchriftstellerInnen auf ihre Auszeichnung reagierten und dies sofort mit vielen innigen Umarmungen feierten.
Mein erster Tag war wirklich ein voller Erfolg und ich strotzte nur so vor Tatendrang, daher war ich mir sicher, dass auch die kommenden Tage ohne »Snooze« gestartet werden würden.  

 

Auf meinen Streifzügen durch die Messe entdeckte ich das schönste Bücherregal bei den ullstein Buchverlagen

 

Yori Gagarim und ich

 

 

Das Programm der »Langen Leipziger Lesenacht (L3)« in der Moritzbastei

Mein Buchmessetag – von Janna Thonius

Überforderung – das war eigentlich das, was ich spürte, als ich das Programm der Leipziger Buchmesse 2018 überflog. Und auch nach stundenlangem Durchforsten nach für mich interessanten Veranstaltungen und peniblem Herausschreiben der Zeiten und Orte war es nicht besser. Ich hatte jetzt planmäßig eigentlich immer drei Termine gleichzeitig, keine Pausen und eigentlich noch nicht mal Zeit, von einem Stand zum nächsten zu kommen. Das würde ich dann alles spontan entscheiden und schon irgendwie hinkriegen, hatte ich mir gedacht.

Auf der Messe angekommen war alles erst einmal Märchenland: Bücher, Bücher, Bücher. Obwohl ich schon viele Male die Frankfurter Buchmesse besucht habe, ist die schiere Menge an Verlagen, Autor*innen und vor allem Neuerscheinungen im deutschsprachigen Raum eigentlich gedanklich gar nicht erfassbar. Und obwohl es noch nicht mal besonders voll war, waren schon überall Menschen unterwegs, fanden an jeder Ecke Lesungen statt, wurde fleißig fotografiert und signiert. Ich ließ mich treiben. Die riesigen Messehallen fühlten sich auf eine komische Weise agora- und klaustrophobisch zugleich an; es war alles sehr weitläufig und trotzdem beengend.


Mein erster fester Termin, der gleichzeitig auch schon mein persönliches Highlight der Messe darstellen sollte, fand schon ungefähr anderthalb Stunden nach Ankunft auf dem Messegelände statt: Yori Gagarim stellte seine*ihre Bücher Why I Stopped Making Merch for a Revolution That Does not Happen und OFF-THE-ROKKET. (Queer) Pin-ups and Other Suspects vor. In ihnen setzt sie*er sich kritisch mit den Lebensrealitäten queerer Menschen sowie mit Fragen nach Selbstbestimmung, Schönheits-konzepten und Normalität auseinander. Nach der Lesung hatte ich das Glück, noch ein wenig Zeit mit Yori verbringen zu können. So war der erste Messetag auch schon ganz schnell wieder vorbei.


Auf mich wartete an diesem Abend aber noch ein weiteres literarisches Event: Die »Lange Leipziger Lesenacht (L3)« in der Moritzbastei. Der Weg dorthin war zwar eine kleine Odyssee, aber mein Co-Praktikant Alex und ich schafften es trotzdem gerade noch rechtzeitig. Ich war noch so aufgedreht von der eher hektischen Messeatmosphäre, dass ich gar nicht auf ruhiges Vorlesen eingestellt war. Trotzdem konnte ich ein paar Autor*innen in guter Erinnerung behalten: Da wäre zum Beispiel Wlada Kolosowa, die in Fliegende Hunde die Geschichte der Freundschaft zweier junger Frauen in Russland erzählt. Während Lena zum Modeln nach China reist, verliert sich Oksana in der sogenannten Leningrad-Diät, bei der man nur Dinge zu sich nimmt, die Menschen während der Leningrader Blockade zur Verfügung hatten. Kolosowa überzeugte bei ihrer Lesung das Publikum  mit ihrem gleichsam einfühlsamen und humorvollen Stil. Weiterhin mochte ich die Lesung von Bettina Wilpert, die mit Nichts, was uns passiert ihren Debütroman vorlegte und eindrucksvolle Einblicke in ihren Text, der die verschiedenen Perspektiven einer Vergewaltigungsanschuldigung darstellt, gab. Gerade im aktuellen Kontext der #MeToo-Bewegung leistet ihr Roman einen wichtigen Beitrag zur Diskussion, da er ein differenziertes Bild zwischenmenschlicher Beziehungen zeichnet. Der letzte Time-Slot im Oberkeller (23:15-24 Uhr), bei dem hier und da schon Zuschauer*innen auf ihren Stühlen einnickten, hatte es dann noch mal richtig in sich: Mit Lilian Loke, Franziska Hauser und Jovana Reisinger lasen hier drei junge, sympathische Autorinnen, die mit Auszügen aus ihren Romanen Auster und Klinge, Die Gewitterschwimmerin und Still halten den noch wachen Teil des Publikums – und damit auch mich – begeisterten.


Tag 2: 16.03.2018

Zweiter Tag der Leipziger Buchmesse 2018 – eine vielfache Betrachtung

Auch am zweiten Tag gab es für uns ein umfangreiches Programm, einige Lesungen und andere vielseitige Veranstaltungen auf dem Messegelände zu entdecken.




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Felicitas Hoppe stellt ihr neues Buch Prawda. Eine amerikanische Reise vor

 

 

 

 

 

Ann Wiesenthal spricht über antisexistische Awareness

 

 

 

Susanne Fritz liest aus Wie kommt der Krieg ins Kind

Mein Buchmessetag – von Janna Thonius

Ein wenig übermüdet begleitete ich unsere Programmleiterin Anna-Lena zu gleich zwei Verlagsterminen: mit der ehemaligen LZG-Programmleiterin Karina Fenner von Voland & Quist und mit Leona Fritsche vom Graphic-Novel- und Comic-Verlag avant. Danach ging es für mich weiter zum völlig überlaufenen taz-studio, wo ich einen Blick auf die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe zu erhaschen hoffte. Sie stellte dort ihr Buch Prawda. Eine amerikanische Reise vor, in welchem sie von einer Reise durch die USA berichtet. Im Gespräch erzählte sie von absurden Situationen mit ihren Reisegefährt*innen, ihrem literarischen Vorbild Das eingeschossige Amerika der Autoren Ilf und Petrow und der Kunst, einen Reisebericht durch fiktive Elemente aufzulockern.

Beim taz-studio kam ich dann auch in den Genuss des messeeigenen WLANs, das mir von meinem Laptop zwar zwischenzeitlich sogar als mittelstark angezeigt wurde, mit dem Hochladen von Fotos auf twitter und Facebook allerdings dann doch schwer überfordert war (#verbesserungswürdig). Blieb nur noch der Rückzug ins Pressezentrum, das sich natürlich am entgegengesetzten Ende des Messegeländes befand. Immerhin würde ich nach diesem Wochenende eine gute Wadenmuskulatur entwickelt haben, dachte ich mir.

Nach meinem ganzen Hin- und Hergerenne landete ich dann wieder mal am Stand E402 in Halle 5, um Ann Wiesenthals Ausführungen über antisexistische Awareness zu lauschen, wobei ich es kunstvoll schaffte, kurz vor Beginn der Veranstaltung Ann Wiesenthal persönlich anzusprechen und sie zu fragen, ob die gerade lesende Person schon Ann Wiesenthal sei. Sie trug es mit Fassung. In ihrem Vortrag gab sie Kostproben aus ihrem im Oktober erschienenen Handbuch, welches eine theoretische Einführung zum Thema Sexismus sowie einen praktischen Leitfaden zum Umgang mit Betroffenen von Sexismus und/oder sexualisierter Gewalt beinhaltet. Wiesenthal betonte, wie wichtig es sei, die betroffene Person nicht mit Fragen wie "Was genau ist passiert?" zu überfordern, sondern lieber mit Fragen wie "Was kann ich gerade für dich tun?" oder "Was kann ich tun, damit du dich gerade sicher fühlst?" aktiv Unterstützung anzubieten. Da dies ein Thema ist, welches ich als sehr wichtig erachte und mit dem ich mich privat viel beschäftige, freute es mich, zu sehen, wie viele Menschen auf so einer bunten und lauten Messe sich Zeit für ein ruhiges und ernstes Thema nahmen.

Auf die nächste Lesung war ich ganz besonders gespannt: Susanne Fritz’ Roman Wie kommt der Krieg ins Kind, in dem sie ihre eigene Familiengeschichte aufarbeitet und mit dem sie einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung deutsch-polnischer Geschichte leistet, hatte ich mir gerade in der vorherigen Woche aus dem LZG-Büro für eine Rezension mitgenommen, bisher aber nur etwa die Hälfte davon gelesen. Im Gespräch mit Tilla Fuchs berichtete sie von der Entstehungsgeschichte des Romans, mit dem sie erst begann, nachdem ihre Mutter, die sich immer gegen ein Leben in der Öffentlichkeit gesträubt hatte, verstorben war. Auf die Lektüre des restlichen Buches freute ich mich nach diesem interessanten Interview nun umso mehr.

Die letzte Veranstaltung, die ich mir für diesen Tag herausgesucht hatte (Alice Schwarzer präsentiert ihr neues Buch – das würde kontrovers werden!) ließ ich dann doch ganz bleiben. Sobald auch ohne Nebengeräusche das beständige Rauschen in den Ohren nicht mehr nachlässt, ist es vielleicht auch einfach mal genug. Durchs stille Schneegestöber ging ich zur Tram.

 

Gert Loschütz präsentiert auf dem blauen Sofa sein neues Werk Ein schönes Paar 

 

Klaus Modick im Gespräch über seinen Roman Keyserlings Geheimnis

 

 

Bettina Wilperts Debütroman Nichts, was uns passiert ist im Verbrecher Verlag erschienen

 

 

Peter Stamm liest aus seinem Doppelgängerroman Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

Mein Buchmessetag – Anna Jablonowski

Der zweite Messetag beginnt bereits früh, noch bevor die Messe offiziell um zehn Uhr öffnet, sind wir vor Ort. Die erste Lesung habe ich mir auch gleich für zehn in den Kalender geschrieben. Es geht zum blauen Sofa, wo Gert Loschütz mit der Moderatorin Luzia Braun über seinen neuen Roman Ein schönes Paar spricht. Darin erzählt der Fotograf Philipp nach dem Tod seiner Eltern deren Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der deutschen Teilung. Diese zwingt Herta und Georg zu außergewöhnlichen Entscheidungen. Loschütz deutet bei der Vorstellung an, dass die Beziehung der beiden nicht unproblematisch ist, der Titel ist daher eher etwas irreführend, macht aber auch neugierig darauf, was wohl zwischen Herta und Gerd passiert ist. Für Gießener dabei besonders interessant: Ein Teil der Handlung spielt im fiktiven »Tautenburg« in der Nähe von Wetzlar, das Dillenburg ähneln soll. 

Gleich darauf geht es schon wieder weiter, ich wechsele von der Glashalle zu Halle 5. Hier spricht Klaus Modick mit dem Moderator von literaturcafé.de, Wolfgang Tischer, über seinen neuen Künstlerroman Keyserlings Geheimnis. Modick erklärt, dass er das Porträt des Malers Lovis Corinth von Eduard von Keyserling als Handlungsanlass nimmt, um dem Geheimnis des Schriftstellers auf den Grund zu gehen. Corinth fragt nach, welcher Skandal dazu führte, dass Keyserling seine Adelskreise verlassen musste und nach Wien zog. Da der Nachlass Keyserlings auf eigenen Wunsch hin vernichtet wurde, so Modick, habe er nur auf eine sehr geringe Faktenlage zurückgreifen können. »Ich habe diese Leerstelle mit Dichtung gefüllt«, sagt Modick und ist nach eigener Aussage fest davon überzeugt, dass die Geschehnisse so auch ihren Lauf genommen haben. Auf die Nachfrage des Moderators hin, ob Modick keine Skrupel gehabt habe einem von ihm so geschätzten Kollegen etwas anzudichten, antwortet Modick nur lachend: »Ohne Skrupel!«. Fun Fact am Rande: Schlägt man den Roman auf, ist das Gemälde von Corinth gleich auf der ersten Seite abgebildet.

Nach dem Gespräch eile ich zur nächsten Lesung, die ein, wie ich finde, höchst wichtiges Thema beleuchtet. Es geht um sexuelle Gewalt und wie das persönliche Umfeld der Betroffenen sowie eine Gesellschaft im Ganzen auf diese reagiert. Bettina Wilpert liest aus ihrem Debütroman Nichts, was uns passiert. Im Roman führt ein unbekannter Erzähler Interviews mit den beiden Betroffenen Anna und Jonas, aber auch ihrem mehr oder weniger involvierten Umfeld, wie zum Beispiel Annas Schwester. Im Roman steht Aussage gegen Aussage: Anna sagt, sie sei von Jonas vergewaltigt worden. Jonas dagegen ist der Meinung, der Sex sei einvernehmlich gewesen. Wie ist das möglich? Auch im Rahmen der #MeToo-Bewegung ein brisantes und aktuelles Thema!

Nach den beiden Gesprächen und der Lesung habe ich kurz ein anderes Programm, denn es ist Karrieretag auf der Leipziger Buchmesse! Beim Question & Answer zum Berufseinstieg werden wichtige und hilfreiche Tipps für das Bewerbungsgespräch gegeben sowie Anregungen, wie man den richtigen Beruf für sich im weiten Feld der Verlagsarbeit findet.

Gleich im Anschluss geht es für mich wieder zur nächsten Lesung, auf die ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe: Peter Stamm liest aus seinem neuen Roman Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt. Der Protagonist verabredet sich mit der jüngeren Lena, die seiner ehemaligen Freundin Magdalena auf verblüffende Weise ähnelt. Die Doppelgängergeschichte steht ganz im Zeichen zweiter Chancen. Was wäre, wenn man die Chance hätte, das eigene Leben noch einmal zu leben? Und was würde man beim zweiten Mal anders machen?! 

Nach der Lesung von Peter Stamm mache ich mich auf den Weg zu Lukas Bärfuss, der aus seinem Essayband Krieg und Liebe liest. Bärfuss liest zwei seiner Essays vor, in denen es vor allem um die Meinungsfreiheit geht. Gesellschaftskritisch nimmt er Stellung zu der Flüchtlingspolitik verschiedener europäischer Länder. Bärfuss’ Thesen sind äußerst interessant und scharf durchdacht! Zu diesem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass ich später noch in den Genuss eines dritten Essays von Bärfuss kommen würde: beim Wallstein Verlagsabend. In diesem beschreibt er mit viel Witz seinen ersten Urlaub in Sachsen, wo ihn das Lieblingsbuch seiner Kindheit, Krabat von Otfried Preußler, hinführte. Übrigens auch eines meiner Favoriten! Die Lesungen am Abend haben mir tatsächlich noch besser gefallen. Vor allem, weil die meist sehr laute Geräuschkulisse der Messe ausblieb. Alles in allem war auch der zweite Buchmessetag ein äußerst interessanter und erfolgreicher! 


Tag 3: 17.03.2018

Dritter Tag der Leipziger Buchmesse 2018 – eine vielfache Betrachtung

Während der Winter Leipzig eiskalt erwischte, vertieften wir uns noch einmal für einen letzten Tag in jede Menge Bücher, Lesungen und andere spannende Veranstaltungen. Wir freuen uns auf nächstes Jahr – dann hoffentlich wieder mit mehr Sonnenschein und etwas wärmer!




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Wir hatten Glück und haben eine der wenigen Trams erwischt, die sich durch das verschneite Leipzig bis zum Messegelände durchgruben

 

Ava Reed stellt ihren Jugendroman Die Stille meiner Worte vor

 

Bloggerinnen im Gespräch

 

Mario Schlembach mit seinem Roman Nebel im Forum »Die Unabhängigen«

 

Mein Buchmessetag – von Anna Jablonowski

Der dritte Messetag beginnt ebenfalls früh, nur deutlich ruhiger, da sich erst recht wenige Besucher auf der Messe befinden. Bald erfahre ich auch wieso: Der viele Schnee hat in Leipzig ein Verkehrschaos ausgelöst, die Bahnen und Züge fahren für einige Stunden nicht. Tatsächlich hat das für uns, die glücklicherweise ohne Probleme zum Messegelänge gekommen sind, auch einige Vorteile: man muss nicht so früh zu den Lesungen aufbrechen und auch nicht mehr um einen Platz kämpfen. Doch dieser Zustand hielt (leider) nicht lange an.

 

Den heute aufgrund unserer Abreise etwas kürzeren Messetag versuche ich so gut wie möglich zu nutzen und möglichst viele Lesungen zu sehen. Der Tag beginnt für mich mit recht schwerer Kost, Ava Reed liest aus ihrem Jugendroman Die Stille meiner Worte. In dem Roman stirbt die Zwillingsschwester der Protagonistin Hannah, die nach einem Weg sucht, ihre Trauer bewältigen zu können. Da sie nicht mehr in der Lage ist, zu sprechen, schreibt sie ihrer verstorbenen Schwester Izzy Briefe. So schreibt sie unter anderem: »Mein Leben ist der Superlativ von einsam und allein«. Trotz des ernsteren Themas und der frühen Stunde sind erstaunlich viele Jugendliche da, die der Lesung lauschen und im Anschluss ihre Exemplare signieren lassen wollen. Schön, dass sich so viele Jugendliche auch für ernste Themen in der Literatur begeistern können!

 

Danach geht es für mich zu einem Fachgespräch über Bücherblogs. »Nicht ganz unwichtig«, denke ich mir, da ich ja auch einen Blogbeitrag über die Buchmesse verfassen werde. Bei der Diskussion, die Annika Katrin Nasel und Michelle Buschfeld von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz leiten, sprechen drei Bloggerinnen über die Gestaltung ihrer Buchblogs, ihre Themen und auch über Ihre Bewertungssysteme bei der Rezension von Büchern. Interessanterweise sind die meisten Bloggerinnen dabei von dem klassischen Noten- oder Sternesystem abgerückt. Ihnen war dieses System nicht differenziert genug und wurde den Büchern nicht gerecht. Eine größere Diskussion entstand bei der Frage, ob die Bloggerinnen nur Bücher rezensieren, die sie persönlich favorisieren, oder ob sie auch absichtlich ein Exemplar wählen, von dem sie bereits im Vorfeld wissen, dass dieses ihren Erwartungen nicht entsprechen wird. Hier kam es zu sehr unterschiedlichen Aussagen. Ich halte es jedoch für sehr schwierig – wenn nicht sogar unmöglich –, die zu rezensierenden Bücher bereits so auszuwählen, dass sie tatsächlich immer gefallen. Schließlich findet man ja erst beim Lesen heraus, ob das Buch gefällt oder nicht.

Nach diesem Fachgespräch höre ich wieder bei einer Lesung zu. Eher zufällig treibt es mich zum Forum »Die Unabhängigen«, wo Mario Schlembach aus seinem neuen Roman Nebel liest. Darin kehrt der Protagonist in seine Heimat zurück, um seinen Vater, den Totengräber des Dorfes, zu begraben. Der Protagonist selbst ist auch Totengräber und arbeitete früher mit seinem Vater zusammen. In dem Kapitel, das Schlembach liest, hebt der Protagonist gerade das Grab für seinen Vater aus. Dabei erinnert er sich daran, wie es war, mit seinem Vater zusammenzuarbeiten. Schlembach ahmt dabei das Geräusch der Schaufel mit Klopfen auf den Tisch nach. Eine sehr laute, aber auch sehr beeindruckende Lesung! Die Empfindungen des Protagonisten wurden so sehr deutlich und man konnte gar nicht anders, als zuzuhören. Schlembachs Lesung war für mich leider auch schon die letzte Lesung an diesem Tag, aufgrund des schlechten Wetters machen wir uns etwas früher auf den Heimweg. Ich fahre mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen – und vor allem einer langen Leseliste – zurück nach Gießen! 

Dirk Bernemann liest aus seinem neuen Roman Ich hab die Unschuld kotzen sehen 4

 

 

 

Zwei junge Teilnehmer beim Tischgeheimnis (Virtual Reality)

 

Yusuf Rieger beim Vortrag und Sandra Da Vina in Erwartung ihres folgenden Auftritts 

Mein Buchmessetag – von Alex Günter

Wahnsinn, wie schnell wir beim Samstag angekommen sind. Die Zeit verging wie im Flug und daher wollte ich an meinem letzten Tag auf der Leipziger Buchmesse nochmal »richtig was rausholen«. Trotz des Schneechaos in Leipzig haben es einige Besucher geschafft und die Hallen füllten sich ab den Mittagsstunden immer schneller.

Die erste Lesung des Tages war mit Dirk Bernemann. Betrachte ich nur die Anzahl der Werke, die ich von ihm habe, so könnte man leicht annehmen, dass er mein Liebling unter den deutschen Autoren ist. Hätte mich jemand direkt nach der Lesung dazu befragt, dann hätte ich dies sicherlich bestätigt, denn sie war nicht nur literarisch anspruchsvoll, sondern auch unterhaltsam und energiegeladen.
Er begann mit seinem Text Common people – ein sehr gesellschafts-kritischer Text, was auch die Zuhörer schnell merkten. Seine charmante Art während der Lesung wirkte ebenso auf die Menschen wie seine gesprochenen Worte. Sein humorvoller Umgang mit Themen, die jeder kennt und die zum Großteil individuelle Belastungen repräsentieren – gemeint sind unter anderem Liebeskummer, Depression, Selbst-wahrnehmung und Sex – zog im Endeffekt jeden Zuschauenden in eine emotionale Aufwärtsspirale, denn Sorgen machte sich in diesen Momenten keiner. Nach der Lesung schlich ich nervös zum Stand des Unsichtbar Verlages und wollte mir eines seiner Bücher kaufen und signieren lassen. Dies tat er in einer Lockerheit, dass man sich fragen konnte: Ist das derselbe Typ von eben? Ja ist er – und ja, so ist eben Dirk Bernemann.

Danach wühlte ich mich durch die Menschenmengen in die Halle 4. Dort war ein Stand aus den Niederlanden, wo man eine Geschichte innerhalb der virtuellen Realität nachempfinden konnte: In Tischgeheimnis spricht die neunjährige Lena mit ihrem Vater über ein seziertes Eulengewölle. Um die Geschichte virtuell zu erleben, brauchte es zwei Personen. Die Teilnehmenden schlüpften dann entweder in die Rolle Lenas oder des Vaters. Paradoxerweise wurde ich von den Organisatoren ausgewählt, in Lenas Leben einzutauchen, während mein Gegenüber, ein fünfjähriges Mädchen, die Rolle des Vaters übernahm. Daran merkt man: auch die Messeleute wollen eben ihren Spaß haben. Letztlich muss ich sagen, war es einfach toll in Lenas Leben einzutauchen. Die Euphorie dieses jungen Mädchens, das voller Neugier und Entdeckungslust ist, und die Umsetzung durch die gezeichnete Virtual Reality war wohl eine der interessantesten Erfahrungen für mich.

 

Abschließend besuchte ich einen Poetry Slam. Die Begeisterung für diese unglaubliche Kunstform begleitet mich seit einer Weile. Früher trat ich selbst häufig als Slampoet auf und wollte daher die Show unbedingt ansehen. Die Poeten Yusuf Rieger und Sandra Da Vina haben einen fantastischen Auftritt abgeliefert. Gekonnt mischten sie Kritisches mit Lustigem und zeigten dabei ein Vortragsgeschick, das weit mehr als 100 Zuschauer an die Bühne lockte.

Ich freue mich sehr, dass ich im Verlauf meines Praktikums im Literarischen Zentrum die Möglichkeit hatte, eine Buchmesse als Blogger zu erleben und dadurch weitere Erfahrungen im Literaturbetrieb zu sammeln. Als ich am Abend nach Hause kam musste ich sofort meinen Mitbewohnern erzählen, was ich alles erlebt hatte – es sprudelte förmlich aus mir heraus. Zudem habe ich einige tolle Eindrücke und erste berufliche Kontakte knüpfen können und Blicke dementsprechend euphorisch in die Zukunft. 


Kinderliteratur auf der Leipziger Buchmesse 2018 – Von Fußball, Stinktieren und dem Gefängnis

Dass die Leipziger Buchmesse auch viel für den literarischen Nachwuchs zu bieten hat, ist kein Geheimnis. Und so strömen vor allem in die Halle 2, die sich ganz dem Kinder- und Jugendbuch widmet, auch viele kleine und größere begeisterte LeserInnen. Zwischen Fachpodien, Lesezelten und -plattformen, zahlreichen Verlagen, dem Leipziger Lesekompass und der messeeigenen Kinderbuchhandlung lässt sich dort viel entdecken.




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Stand der »Buchkinder Leipzig« in Halle 2

 

 

Podiumsdiskussion zum Thema »Fußball als Lesemotivation«

 

 

 

 

 

 

 

Fußballlesung »Toooor!«

 

 

 

 

 

 

 

 

Antje Bones stellt ihr Buch Ein Hund namens Kominek vor

 

Zelten mit Meerschwein heißt das Buch von Mareike Krügel

 

 

 

Stinktier Flätscher auf der Leipziger Buchmesse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ralph Kaspars und Kirsten Boje sprechen über ihre Kinderbücher am MDR-Stand

 

 

 

 

 

 

 

 

Monika Osberghaus präsentiert ihr Buch Im Gefängnis: Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern

Kinderliteratur auf der Leipziger Buchmesse – von Madelyn Rittner

 

Ein besonderes Highlight auf der Leipziger Buchmesse sind immer wieder die »Buchkinder Leipzig«, eine Buch- und Schreibwerkstatt für Kinder im Alter von 4 bis 18 Jahren. Hier finden sich schöne und lustige Kinderideen – etwa von den fünf Würsten und dem bösen Fleischer Tofu – und die Kinder lesen auch selbst auf der Messe aus ihren Büchern.

 

Aber auch die Erwachsenen schreiben tolle Bücher und bringen literarische Tipps im Gepäck mit. Zum Thema »Fußball als Lesemotivation« etwa diskutieren Jonas Kozinowski (Preisträger des Lese-Kicker 2017 und Autor von WAS IST WAS Fußball), Inge Kutter (Jurymitglied und Chefredakteurin der ZEIT LEO), Kaspar Pflaum (Leiter der Leseförderung beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Kooperationspartner des Lese-Kickers) und Karin Plötz (Direktorin der LitCam), wobei sie die aktuelle Shortlist des Litcam Lese-Kicker, dem Preis für das beste Fußballkinder- und Fußballjugendbuch, vorstellen. Mit in der Jury sitzt der Fußballstar Manuel Neuer, der sich nicht nur für Fußball, sondern auch für Literatur stark macht. Und damit auch die Kinder und Jugendlichen mitreden dürfen, sind ab diesem Jahr über 100 Schulklassen mit dabei, deren Bewertung zu 50% in die Entscheidung eingeht. Dass der Preis sinnvoll ist und von den Kindern und Jugendlichen etwas zurückkommt, bestätigt Jonas Kozinowski, der mit dem Gewinnertitel des Vorjahres auch mit Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren (hier setzt oft ein sogenannter »Leseknick« ein und die Begeisterung fürs Lesen flacht stark ab) 90 Minuten intensiv zu dem Thema arbeiten konnte. Mehr zum Lese-Kicker und beide Shortlists finden sich hier.

 

Ebenfalls um das lederne Rund dreht es sich bei der Fußballlesung »Toooor!« mit drei Carlsen-Autoren. Heiko Wolz, der eigentlich aus seinem Buch Mein größter Erfolg als Trainer! Also fast... lesen wollte, ist leider erkrankt, wird aber prompt von einem Plüschtieraffen auf seinem Stuhl vertreten, wobei dieser leider nicht liest. Mehr hört man jedoch von Jan Birck und Irene Margil. Birck, der mit Storm oder die Erfindung des Fußballs auch auf der Shortlist des Lese-Kickers gelandet ist, erzählt die Entstehungsgeschichte des Fußballs. Der wurde, wenn man dem Buch Glauben schenken darf, vor 1000 Jahren auf der Insel, die wir heute als Großbritannien kennen, erfunden. Der kleine Storm will Seefahrer oder Krieger werden – dass in seinem Namen auch ein anderes Potenzial, nämlich als Fußballstürmer, steckt, ahnt er noch nicht –, doch seine Eltern stecken ihn in eine Klosterschule. Kurzerhand fliehen Storm und der Klosterhund Luzifer (eine interessante Namenswahl, wenn man den Ort bedenkt), mit dem er sich anfreundet, durch das Klosterplumpsklo ins offene Meer. Über Wasser hält sich Storm dabei mit einem aufgepusteten Darm. Als sie dann von einem Wikinger entführt werden und als Tanzbären herhalten sollen, ist Storm zunächst entrüstet. Doch das Balancieren eines Kiefernzapfens eröffnet sicherlich noch andere Möglichkeiten… In die Fußballjetztzeit springt anschließend Irene Margil, die in ihrem Buch Gemeinsam lesen: Die tollste Fußballmannschaft der Welt rettet die Schule, das der zweite Teil einer Reihe ist, u.a. von Basti, Mara und dem Hund Flummi erzählt. Die drei und ihre Fußballmannschaft müssen kurzfristig das Schultheater retten, nachdem sämtliche Keyboards geklaut wurden. Doch der Direktor ist entschieden dagegen, dass auch Hunde auf der Bühne auftauchen und was passiert mit den Nicht-Fußballer-Kindern, die vorher so viel geprobt haben? Im Laufe des Buches, das sich wunderbar zum gemeinsamen Lesen mit Freunden (oder Erwachsenen) eignet, klärt sich alles auf, doch dafür muss man selbst weiterlesen.

 

Wer sich nicht so sehr für Fußball interessiert, kommt bei den vielen Neuerscheinungen auf der Messe aber auch nicht zu kurz. Für Tierfans gibt es ebenfalls zahlreiche Leseinspirationen, so etwa mit Antje Bones' Buch Ein Hund namens Kominek. Das Buch erzählt die Geschichte des Hundes Kominek, der eine Mischung aus Schnauzer und Pudel – also ein Schnudel – ist und mit seinem geliebten Besitzer Tadeusz auf einem Schrottplatz in Polen lebt. Dort lauschen sie täglich der Musik aus den Autoradios der von Tadeusz zu reparierenden Autos, auch Oper und Jazz, die die beiden im Gegensatz zu vielen anderen Leuten lieben. Als Tadeusz stirbt, nimmt sich der Postbote Janusz dem trauernden Hund an und spielt ihm mit der Klarinette vor – da beginnt Kominek zu tanzen. Und so machen sich die beiden auf die Reise als Straßenmusikerduo, was sie auch aus Polen heraus und bis in die USA bringt.

 

Wer statt von tanzenden Hunden zu lesen lieber mit Meerschweinchen zelten möchte, kann Anton, seine Mutter und das Meerschweinchen Pünktchen begleiten. Mareike Krügel hat nicht nur das sehr humorige Buch Zelten mit Meerschwein im Gepäck, sondern auch einen Schuhkarton. In dem stecken natürlich keine Schuhe, sondern ein »echtes« Meerschweinchen, das die Autorin im Laufe der Lesung herausholt. Sie erzählt von Anton, der dieses Jahr nicht in den Sommerurlaub fahren kann, denn der Vater hat keine Zeit, die Mutter kein Geld und auch Ausflüge sind nicht möglich, denn das Auto ist kaputt. Kurzerhand machen sich Anton, seine Mutter und Pünktchen zum Campingplatz auf, wo sie gleich vor dem nächsten Problem stehen: alles ausgebucht. Und so beschließen sie, illegal im Wald zu campen. Das ist Anton, der vor anderen Kindern Angst hat, weil er vor allem von Ben in der Schule geärgert wird, ganz Recht. Doch dann freundet er sich mit der launischen älteren Liane an und bekommt von ihr und anderer unerwarteter Stelle Hilfe, als seine Mutter nicht vom Nutellakauf zurückkehrt.

 

Auch das Stinktier Flätscher schafft es auf die Bühne und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Autorin Antje Szillat ist nicht nur mit dem ersten Band Die Sache stinkt (mittlerweile gibt es drei Bände) und dem Illustrator Jan Birck da, sondern hat auch Flätscher selbst (oder doch jemanden in einem riesigen Stinktierkostüm?) mitgebracht. Damit der Spaß noch größer wird, kommen auch Kinder aus dem Publikum auf die Bühne und begleiten die Lesung mit Zzzzzzzzzzzzzzzzisch-Anweisungen, Yeahs und Dabs. Dass alle dabei auch dem Inhalt des Buches aufmerksam folgen konnten, zeigt sich im anschließenden Fragequiz, bei dem die Kinder ganz genau wissen, dass Flätschers Leibgericht Semmelknödel sind und wie die einzelnen Charaktere heißen. Aber das ist ja auch logomanisch, wie Flätscher sagen würde.

 

Ein wohlbekanntes Alltagsproblem beschreibt Annette Langen in ihrem Buch Oh Schreck, oh Schreck, der Strom ist weg!. Die Autorin selbst konnte ihren Termin leider nicht wahrnehmen, wurde aber würdig von der Illustratorin des Buches, Catharina Westphal, vertreten. Erzählt wird die Geschichte von Maxi und deren Familie. Als ein Stromausfall die ganze Stadt lahmlegt, ist plötzlich alles anders. Maxis Vater muss nicht zur Arbeit, denn die Computer stehen alle still, und auch die Kinder müssen nicht zur Schule. Als auch die Mutter erfährt, dass sie nicht arbeiten muss, macht sich die Familie spontan einen schönen Tag. Dabei gibt es Gratiseis, denn die Kühltruhen funktionieren nicht, und ein großes Grillen mit der Nachbarschaft, weil Frau Oje Ojes Würstchen sonst schlecht werden. Für Maxi ist es der allerschönste Tag und auch als der Strom zurückkommt, ist danach alles ein bisschen anders: Der Zusammenhalt im Wohnhaus ist größer und Maxi spielt weiterhin regelmäßig mit ihrer Familie »Oh Schreck, oh Schreck, der Strom ist weg!«.

 

Aber nicht nur in Halle 2 kann man sich über aktuelle Kinderbücher informieren. Auch in der großen Glashalle gibt es dazu Veranstaltungen. Beim MDR-Stand stellen Kirsten Boie, Ralph Caspers und Monika Osberghaus im Gespräch mit Kerstin Poppendieck ihre neuen oder ersten Kinderbücher vor. Die erfolgreiche und vielgeliebte Kinderbuchautorin Kirsten Boie liest aus Ein Sommer in Sommerby. Die zwölfjährige Martha und ihre kleinen Brüder Mats und Mikkel müssen kurzfristig zur bisher unbekannten Oma aufs Land. Dort ist alles gewöhnungsbedürftig, denn die recht launische Oma hat weder Telefon noch Internet. Als Oma sich weigert ihr Haus zu verkaufen, beginnen seltsame Dinge zu geschehen, sodass alle doch zusammenhalten müssen. Dass das Buch gut bei den kleinen ZuhörerInnen ankommt, bestätigt direkt ein Mädchen, das wissen will, ob es einen zweiten Teil geben wird. Kirsten Boie erklärt, dass eigentlich alle ihre Bücher als einzelne Titel geplant waren und nur deshalb Reihen daraus wurden, weil Kinder immer wieder nachgefragt haben. Vielleicht wird es also auch von Ein Sommer in Sommerby einen zweiten Teil auf der nächsten Leipziger Buchmesse geben, frohlockt auch die Moderatorin.


Danach liest der TV-Moderator Ralph Caspers, bekannt aus der Sendung mit der Maus und Wissen macht Ah aus seinem ersten Kinderbuch. Entstanden sei es vor allem, so Caspers, weil er keine Lust mehr hatte, seinen Kindern immer wieder dieselben Bücher vorzulesen, die er im Schlaf beherrsche und teilweise auch so vorlese! So schrieb Caspers also mit Wenn Glühwürmchen morsen seine eigenen fantastischen Gute-Nacht-Geschichten nieder. Mit den Geschichten um die Geschwister Greta und Paul bringt er Groß und Klein zum Lachen, denn Paul, der königlich aus dem Auto winkt, ist fest davon überzeugt, dass eine Frau dies mit einem Knicks erwidert habe. Doch Greta erklärt Paul, dass die Dame nur ein Hundehäufchen aufgehoben hat und führt dann sogleich aus, wie daraus Nougatcreme und Pralinen gemacht werden. Der Moderator hatte große Freude am Schreiben seines ersten Buches und kündigt an, dass es sicherlich nicht das letzte sein wird.

Im Anschluss stellt Monika Osberghaus, die eigentlich als Verlegerin bei Klett Kinderbuch tätig ist, das gemeinsam mit ihrem Mann Thomas Engelhardt geschriebene und von Susann Hesselbarth illustrierte Kinderbuch Im Gefängnis: Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern vor. Ein ungewöhnliches und nicht immer einfaches Thema. Da kommt von Eltern schnell mal die Frage: »Muss das sein?«, die Osberghaus aber eindrücklich bejaht. Schließlich leben in Deutschland 100.000 Minderjährige, die einen Elternteil – meist der Vater, seltener die Mutter – haben, der im Gefängnis ist. Bisher gab es zwar Informationsmaterial, das von SozialarbeiterInnen gestellt wurde, aber ein Buch in einem ganz normalen Publikumsverlag sei eine Neuheit, so die Autorin und Verlegerin. Erzählt wird die Geschichte von der achtjährigen Sina und ihrem Papa, der wegen eines bewaffneten Raubüberfalls ins Gefängnis muss, über die komplette Haftzeit hinweg. Dabei wird auch Weihnachten im Gefängnis gefeiert und festgestellt, dass man nicht unbedingt das einzige Kind der Schulklasse ist, das einen Vater im Gefängnis hat. Für das Buch, das auf Anraten einer Gefängnispsychologin hin entstand, betrieben Osberghaus und Engelhardt auch Vor-Ort-Recherche in Gefängnissen in Leipzig, Celle und Uelzen, wo die beiden auch einem lebensfrohen Kind beim Besuchstag begegneten, dem die Figur Sina nachempfunden ist. Wichtig war ihnen, dass die jungen LeserInnen hoffnungsvoll aus der Lektüre des Buches herausgehen können. Dass Kinder die Bedenken der Eltern nicht teilen, zeigen auch die Reaktionen auf das Buch: Besonders interessiert seien Jungs an den technischen Aspekten (z.B. dem Sicherheitssystem im Gefängnis) und daran, was im Gefängnis geschieht. Da lesen auch mal Kinder, die sonst keine Bücher mögen, das ganze Buch.

 

Lesebegeisterung und Lust auf Kinderbücher weckt die Leipziger Buchmesse auf jeden Fall bei Groß und Klein und viele glückliche Kinder fahren am Ende des Tages mit ein paar Büchern mehr für die Regale nach Hause. Uns freut das ebenso und sicherlich begrüßen auch wir im laufenden Jahr noch ein paar KinderbuchautorInnnen in Gießen.



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