Antisemitismus heute. Podiumsdiskussion mit Jo Glanville und Olga Grjasnowa 

Olga Grjasnowa, Sascha Feuchert und Jo GlanvilleOlga Grjasnowa, Sascha Feuchert und Jo Glanville

(Nachholtermin vom 1.12.21)

Mittwoch, 1.6., 19 Uhr
Georg-Büchner-Saal (Alte Universitätsbibliothek)
Bismarckstr. 37
35390 Gießen

GAZ | GA Gästebuch

Eintritt frei


Moderation: Sascha Feuchert (LZG | Institut für Germanistik)

Die Veranstaltung findet in deutscher und englischer Sprache statt.

 

Am Mittwoch, den 1.6., begrüßte das LZG die Autorin Olga Grjasnowa und die führende britische Kulturjournalistin und ehemalige Präsidentin der englischen PEN Jo Glanville. Der Essayband Looking for an Enemy. 8 Essays on Antisemitism thematisiert die noch immer herrschenden judenfeindlichen Stereotype und deren weit zurückreichende Historie.

Die Lesung und anschließende Diskussion zog zahlreiche Gäste an, was  die bestehende Dringlichkeit der Thematik sichtbar machte. Gleich zu Beginn eröffnete der Moderator des Abends, Prof. Dr. Sascha Feuchert, die Veranstaltung mit einigen aufschlussreichen Fakten zu den aktuellen Fallzahlen antisemitischer Straftaten, die bis heute leider immer wieder neue Rekordstände erreichen.

Olga Grjasnowa thematisiert in ihrem Essay Die Asche ist noch warm besonders ihre persönlichen Erlebnisse mit Antisemitismus und wie sie diesen in Deutschland wahrnimmt. Als russisch-jüdische Migrantin hinterfragt sie den fragwürdigen Umgang der deutschen öffentlich-rechtlichen Medien mit beispielweise den NSU-Morden.

Der Essay Bloody Jews von Jo Glanville erzählt von dem stereotypisierenden Blick auf Juden vom 12. Jahrhundert bis heute. Schon im Ursprung des Christentums wurde die Abneigung gegen Juden geschürt. Es sei Judas gewesen, der Jesus verriet und es seien die Juden gewesen, die auf die Kreuzigung Jesu bestanden. Rituelle Kindstötungen seien im 12. Jahrhundert von Juden durchgeführt worden und gelten heute noch als aussagekräftige Quelle, um Online-Portale mit Hassreden zu füllen. Die Kulturjournalistin las ihren aussagekräftigen Text mit einer eindringlichen starken Stimme, sodass besonders die Ernsthaftigkeit und der Ursprung der Thematik das Publikum erreichten.

Bei der Vorstellung von Olga Grjasnowa trat ihre sehr sympathische und humorvolle Art in den Vordergrund. In ihrem Essay greift sie auf einige persönliche Geschichten zurück und berichtet unter anderem von ihrer empfundenen Diskrepanz zwischen einem Leben in Deutschland und dem Wunsch nach Aserbaidschan zurückzukehren. In Deutschland zu leben, bedeute nicht nur auf erschreckende Art und Weise die immer noch herrschende Präsenz von Antisemitismus und Rassismus mitzubekommen, sondern auch den respektlosen Umgang mit den Thematiken am eignen Leib zu erfahren, so die Autorin.

Grjasnowa erwähnt in ihrem Essay einige Gräueltaten, die nie von der Polizei aufgedeckt wurden - angefangen bei den NSU-Morden und der Dehumanisierung der Opfer durch die öffentlichen Medien.

In Erinnerung bleibt, dass in Deutschland viel zu wenig gegen Antisemitismus getan werde. Viele motivierte Bewegungen, wie Black Lives Matter, stellen sich gegen Rassismus, doch auffällig ist, dass es wenig Gegenwind gegen Straftaten antisemitischen Ursprungs gibt. Beispielsweise mache die Comedian Lisa Eckhardt Gebrauch von antisemitischen Witzen und versuche diese im Kontext ihres Programms zu legitimieren. Ist es richtig, sich gegen solche unangebrachten Situationen aufzulehnen oder aber einer solchen Situation keine Bühne zu verschaffen? Besonders Olga Grjasnowa merkte man die Entrüstung an.

Nach den Lesungen folgten einige Publikumsfragen, die im Plenum diskutiert wurden.  Von der Verbindung zwischen Antisemitismus und Verschwörungstheorien bis hin zu Einschätzungen, was gegen Rassismus und Antisemitismus in Zukunft unternommen werden sollte, regten alle Beiträge zum Nachdenken an.

Abschließend kann festgehalten werden, dass die beiden Autorinnen diesen Abend zu einem informativen, interessanten, aber auch emotionalen Event machten. Die Bedeutung der Thematik ist weiterhin von enormer Dringlichkeit, sodass eine Auseinandersetzung auch heutzutage unerlässlich ist.

 

(Alina Brenger)

 

Jo Glanville (*1963 in London) ist eine der führenden Kulturjournalistinnen Englands. Sie hat unter anderem für The Guardian und die BBC gearbeitet und war von 2012 bis 2017 Direktorin des englischen PEN.

Olga Grjasnowa (*1984 in Baku, Aserbaidschan) ist Absolventin des Literaturinstituts Leipzig. Für ihren vielbeachteten Debütroman Der Russe ist einer der Birken liebt (2012) erhielt sie u.a. den Anna-Seghers-Preis.

 

In Kooperation mit der Arbeitsstelle Holocaustliteratur. Mit freundlicher Unterstützung  der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung.


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