Im Menschen muss alles herrlich sein. Lesung und Gespräch mit Sasha Marianna Salzmann 

Sandra Binnert und Sasha Marianna SalzmannSandra Binnert und Sasha Marianna Salzmann

Freitag, 25.2., 19 Uhr
Hermann-Levi-Saal (Rathaus)
Berliner Platz 1
35390 Gießen

 

GAZ | GA |Landbote | Gästebuch

 

 

Eintritt: 10 € Ç€ erm. 8 € Ç€ LZG-Mitglieder 6 €
 

Moderation: Sandra Binnert (LZG)
 

Salzmann zeigt in ihrem* Roman Im Menschen muss alles herrlich sein, wie unterschiedlich Lebensgeschichten und Erfahrungen innerhalb einer Familie wahrgenommen werden können.

Mit ihrer* Lesung am Freitag, den 25.2., im Hermann-Levi-Saal zog Sasha Marianna Salzmann das zahlreich erschienene Publikum in den Bann und sorgte in Anbetracht der aktuellen Situation für Aufklärung und bewegende Momente. Schon am Anfang der Lesung machte die Autorin* darauf aufmerksam, dass über die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine gesprochen wird. Die Textstellen wurden für die Lesung genau ausgewählt, um dem Publikum Hintergründe über die ukrainische Geschichte zu liefern. Dadurch sollte den Gästen ermöglicht werden, die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine besser nachvollziehen zu können.

Im Menschen muss alles herrlich erzählt von vier Frauen, die unterschiedliche Erfahrungen machen. Lena wächst im ukrainischen Teil der damaligen Sowjetunion auf. Ihre Mutter erkrankt früh, weswegen Lena ein Medizinstudium anstrebt. Während ihres Studiums macht sie u.a. Erfahrungen mit Korruption. 2017 zieht Lena mit ihrem Mann und ihrer Tochter Edi nach Deutschland. Wie Edi hat auch Nina, die Ich-Erzählerin des Romans, Schwierigkeiten mit ihrer Mutter Tatjana zu kommunizieren. Beide Mütter, Lena und Tatjana, haben ihre Kindheit in der Sowjetunion verbracht und ihre Wege führten sie nach Deutschland. Sie verstehen die neuen Lebenswelten ihre Töchter nicht und jeglicher Kommunikationsversuch führt aneinander vorbei. Salzmann stellt dar, welche Auswirkungen unterschiedliche Einwanderungs- und Integrationserfahrungen auf die Mutter-Tochter Beziehung haben.
Das Buch ist durch die vier Frauen aus der Sicht verschiedener Generationen geschrieben. Aber vor allem zeigt Salzmann auf, dass sich die jüngere Generation nun für die Aufarbeitung der Sowjetzeit, der Flucht aus der Ukraine und der Beziehung zwischen Russland und der Ukraine stark macht.
Im Menschen muss alles herrlich sein – nominiert für den Deutschen Buchpreis – ist Sasha Marianna Salzmanns dritter Roman.

Bevor die Moderatorin Sandra Binnert gemeinsam mit Salzmann die Gäste in den Roman führten, stand zunächst der Titel im Mittelpunkt. »Herrlich«, ein Wort, das von Anfang an durch den Raum schwebte. Zwei Bedeutungen trägt das Wort für Salzmann in sich. Einmal die schöne Seite, welche beispielsweise ein schönes Ereignis ausdrückt, aber auch etwas »Herrenhaftes«, das in dem Wort mitschwingt. So überträgt sich das Wort auch auf die Ukraine, zur Zeit des Romangeschehens: ein Land, in dem sich Gegensätze spiegeln, in Zeiten von Umbrüchen und dem Zerfall von Staatssystemen. Im Roman fragt sich Nina, wie ihre Mutter und deren Freundin Lena das Leben in Deutschland aus sowjetischer Perspektive wahrnehmen, nachdem sie in den 1990er Jahren die Ukraine verlassen hatten.

Salzmann beginnt mit einer Textstelle, in der die Gäste Lena genauer kennenlernten, die zu diesem Zeitpunkt im Roman noch ein Kind ist. An der vorgetragenen Textstelle zerbricht sie Leningrader Porzellan, etwas, was jeder ukrainische Haushalt besitzt. Es ist wie ein Erkennungsmerkmal, ein Hinweis zu vergangen Zeiten, aber vor allem auch ein Erinnerungsmerkmal an die Leningrader Blockade. Salzmann hat immer wieder historische Tatsachen miteingeflochten, die sie dem Publikum erklärte.

Für ihr* Werk interviewte Salzmann Frauen, die aus der Ukraine geflohen sind und nun in Deutschland leben. Diese Gespräche waren für die Theaterautorin* auf unterschiedliche Art und Weise bereichernd. Für Salzmann sprechen diese Leute nämlich nicht in historischen Fakten, sondern in persönlichen Tragödien. Die Frauen erscheinen ihr* wie Heldinnen, vor denen man sich verbeugen sollte.

Es herrschte eine gespannte Stimmung im Saal und man war immer wieder bewegt in den Momenten, in denen man realisieren konnte, wie vorausschauend der Roman ist. Sasha Marianna Salzmann plane ihre* Romane nicht, sie kämen zu ihr*. So erzählte sie*, dass sie* mit dem Schreibstil im Roman experimentierte und ihn an die Lebensrealitäten der jeweiligen Zeitabschnitte anpasse. Eine gegenderte Sprache beispielsweise ist daher erst zu Ende des Romans zu finden und nicht in den Abschnitten der 1990er Jahre.

Abgeschlossen wurde die Lesung mit Publikumsfragen, die einerseits den Krieg in der Ukraine betrafen, der für die Autorin* ein Schock, jedoch gleichzeitig abzusehen war. Anderseits wurde nach den interviewten Frauen gefragt. Diese haben das Buch vor dem Erscheinen gelesen und gaben ihr Feedback mit einem Lächeln: Salzmann würde zu lange Sätze schreiben.

Bewegend, tiefgründig und ehrlich, das war diese Lesung.

 

Carina Kuhl

 

In Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Gießen.


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