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Robert Deutsch | Turing 

Graphic Novel
Avant 2017
192 Seiten
29.95 Euro
ISBN 978-3-945034-55-2

von Julia Lotz | Download

Die Wendung "Ein Leben zwischen Genie und Tragik" beschreibt Alan Turing sehr gut. Der Wissenschaftler gilt als Erfinder des modernen Computers und war maßgeblich für die Entschlüsselung des Enigma-Codes verantwortlich. Auch im Bereich der theoretischen Biologie leistete er richtungsweisende Beiträge. Während er jedoch in seinem Beruf als Genie gefeiert wurde, war sein privates Leben durchzogen von einer Tragik, die ihn 1954 zum Selbstmord verleitete. Mit diesem beginnt Robert Deutschs Graphic Novel Turing, die nicht nur seine beruflichen Erfolge darstellt, sondern seine private Tragödie. Schnell wird der Leser jedoch um drei Jahre in Alan Turings Leben nach vorne geworfen, bis zu dem Tag, an dem Alan Turings Schicksal besiegelt wurde. Er begegnet einem Mann, mit dem er eine Beziehung beginnt. Dieser plant jedoch, ihn auszurauben und als genau das geschieht, ist Turing gezwungen, der Polizei von seiner Homosexualität zu erzählen. Homosexualität galt zu Lebzeiten Turings als grobe Sittenlosigkeit und somit stand er vor der Wahl, eine Haftstrafe anzutreten oder seine Homosexualität behandeln zu lassen, was damals mit der Einnahme von Östrogen erfolgte. Turing entschied sich für letzteres. Das alles fand innerhalb der letzten drei Jahre seins Lebens statt. Somit wird klar, dass der Comic besonders die persönliche Tragödie seines Lebens beleuchtet und auf seine wissenschaftliche Erfolge – wenn überhaupt – nur in Form von Rückblenden verweist.

Dabei ist die Geschichte selbst so künstlerisch aufgebaut wie der Zeichenstil. Robert Deutsch springt von Traum zu Realität und von Gegenwart zu Vergangenheit. Turings letzte Lebensjahre, die Deutsch sehr gut recherchiert darstellt, sind geprägt von einem ständig auftretenden Schneewittchen Motiv, welches Deutsch auf mehreren Seiten zeichnerisch aufgreift. Der Film, den Turing im Jahre 1938 sah, gehörte zu seinen Lieblingsfilmen und schlussendlich inspirierte der Film ihn sogar zu seinem Selbstmord, der mithilfe eines vergifteten Apfel erfolgte. Darüber hinaus ist die Geschichte geprägt von vielen Leerstellen und bildlichen Anspielungen, mit denen der Leser vieles selbst rekonstruieren muss.

Der Zeichenstil ist außergewöhnlich. Nicht nur die Anordnung, die Größe und die Form der Panels sind ungewöhnlich und unterscheiden sich von klassischen Comics und Graphic Novels. Es werden im Verlauf der Handlung die unterschiedlichsten Perspektiven eingenommen und so blickt man teils aus Vogelperspektive auf das Geschehen und betrachtet ein ganzes Gebäude von einiger Entfernung aus. Auch mit Farben wird sehr häufig gespielt. So dominiert in Rückblenden auf Turings Jugend die Farbe Blau, die Arbeit an Enigma wird mit Rot in Verbindung gebracht und die Bilder zu Turings hormoneller Behandlung dominieren in gelber Farbe. Robert Deutsch fordert den Leser darüber hinaus auch durch viele unterschiedliche Zeichenstile und nicht zuletzt – wie oben schon einmal erwähnt – durch viele kleine Details, die im Hintergrund der Panels eingearbeitet sind.

Die Graphic Novel von Robert Deutsch ist nicht nur ein kleines Kunstwerk, auf dessen Seiten man gerne und lange verweilt. Sie leistet entscheidende Arbeit, denn die Verdienste und das Schicksal des Mannes, nach dem diese Graphic Novel benannt ist, rückten lange Zeit in den Hintergrund und waren wenigen Menschen bekannt. Erst mit dem „Royal Pardon“, den die Queen Ende 2013 aussprach sowie dem Film The Imitation Game, der 2014 in den Kinos ausgestrahlt wurde, rückte Alan Turing mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Graphic Novel selbst ist ein weiterer wichtiger Schritt, Alan Turings Arbeit und Schicksal zu würdigen und das Wissen darüber in der Gesellschaft zu etablieren.

Robert Deutsch, geboren 1981 in Köthen, studierte in Halle Illustration und Kommunikationsdesign und arbeitet seit 2012 freiberuflich als Illustrator und Grafikdesigner. Seine Arbeiten wurden unter anderem in Porto, Berlin, Leipzig und Los Angeles ausgestellt und in zahlreichen Magazinen veröffentlicht: V-Mag (D), Monopol (D), Arte (Fr), American Collectors Art Magazine, u.v.m. 2014 wurde er mit dem GiebichenStein Designpreis in der Kategorie „Beste Kommunikation“ ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Leipzig. Mit Turing erschien im März 2017 sein Debüt.

(Julia Lotz)


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