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Matthias Göritz | Träumer und Sünder 

C.H. Beck Verlag 2013
238 Seiten
18.95 Euro

ISBN 978-3-406-65282-0

von Andrea Hermes | Download

»Sobald Sie Anspruchsvolleres zeigen wollen, brauchen Sie oscargekrönte Regisseure oder eben Stars«. So klingt die Diagnose des heutigen Milieus der Filmproduzenten im Roman von Matthias Göritzʼ Träumer und Sünder. Darin setzt sich der Autor das Ziel, die Schatten und Lichter des Reichs der »fünften Muse« zu schildern und sich mit der heiklen Frage auseinanderzusetzen, wie die große Filmindustrie funktioniert und wie die mit ihr verbundenen Menschen leben.

Die Rahmenhandlung des Romans bildet ein Interview eines jungen Journalisten mit einem anerkannten Filmproduzenten namens Erlenberg. Dieser Austausch gibt ihm die Möglichkeit, Einblicke sowohl in Erlenbergs Geschäftsangelegenheiten als auch in sein privates Leben zu erhalten und die Geschichte seines Lebens kennenzulernen. Binnen etlicher Jahrzehnte in der Branche hatte der noch in Moskau bei Eisenstein studierte Erlenberg mit vielen berühmten Regisseuren und Hollywoodstars zusammengearbeitet – die Namen wie Trierer, Tarantino und Sukurov mischen sich in seinen Erinnerungen mit Namen von Klassikern wie Frederico Fellini oder Georg Lucas. Diese und viele weitere Gestalten werden in Erlenbergs Erzählungen erwähnt, ohne dass sie in Verbindung mit den zugehörigen Filmströmungen gebracht werden. Das ist eine ordentliche Prüfung für den Leser, der ohne tiefergehendes Wissen in der Filmwissenschaft den Sinn vieler Dialoge und Geschichten nicht versteht. Das ist aber zugleich die starke Seite des Romans – die filmessayistischen Fragmente wirken nicht so sehr auf der formalen Ebene wie durch den geschichtlichen und sozialen Kontext der erzählten Filmentstehung. Die Situation des Filmmarktes wird dabei unter anderem mit folgenden Worten kommentiert: »Heutzutage ist alles nur noch ein Abklatsch, ein Nachmachen von Bildern, die Ihr alle tausendmal im Internet gesehen habt«.

Diese Sicht auf die Kinowelt wäre ohne die Erlebnisse des Interviewers nicht vollständig. Er gewinnt in dem Filmindustriemilieu allmählich eigene Erfahrungen und nimmt die Worte seines Gesprächspartners nicht unkritisch an. Zwischen den Interviewphasen beobachten wir den Journalisten sowohl in Cannes, wo er an dem ausschweifenden Fest der Kinostars teilnimmt, als auch zu Hause in München, wo er mit seiner Redaktion ringt. Erlenbergs Lebensgeschichte ist für ihn zunächst wie eine Kinoserie, die mit der Zeit jedoch zu einem Teil seines wirklichen Lebens wird.

Diese zwei im Roman miteinander konkurrierenden Perspektiven – die eine auf die Welt der Pressekonzerne und die andere auf die Branche der Filmvermarktung – bilden eine sehr interessante Konstellation. Was nämlich Göritzʼ Roman besonders macht, sind diese zwei Biographien, die dem Leser – ähnlich wie in Serienfolgen –enthüllt und mit der unsterblichen Welt des Filmes konfrontiert werden.

Matthias Göritz schuf einen Roman, der dem Geschmack nicht jedes Kinofans entsprechen dürfte– es gelang ihm zwar, ein buntes Panorama der gegenwärtigen Kinobühne darzustellen und ein charakterologisch tiefes Porträt eines imaginierten Kinoproduzenten zu schaffen. Dabei vermischte er jedoch, ähnlich wie es Dan Brown in seinen Romanen tut, Tatsachen mit der Wirklichkeit. Das Ergebnis wirkt nicht immer vollkommen überzeugend. Wer aber an Kammergesprächen über Filme, Filmproduktion und Filmvermarktung Interesse hat, wird an dem Buch ohne Zweifel ein großes Vergnügen finden.

(Magdalena Stefanska)


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