Rowohlt Verlag
288 Seiten
25 Euro
ISBN 978-3-498-00711-9
von Lothar Schneider
Seit dem Coming-of-Age Roman Fleisch ist mein Gemüse wird Heinz Strunk den meisten als Comedian bekannt sein oder als Autor humoriger Bücher über Provinzexistenzen und -erlebnisse. Aber von Zeit zu Zeit schreibt er Bücher, die dem Image als Spaßmacher nicht oder allenfalls am Rande entsprechen, die nicht in erster Linie lustig sind, sondern ein Leben zeigen, das fast jedem bekannt ist, wie es aber nur wenige kennen – oder kennen wollen. Am drastischsten geschah dies im Goldenen Handschuh, einem Roman über den Serienmörder Fritz Honka, dem 2016 den Raabe-Literaturpreis zugesprochen wurde, aber auch in einer Reihe anderer Romane standen wenig erfolgreiche Figuren im Mittelpunkt.
Strunks neuer Roman Zauberberg 2 gehört in diese Reihe: Der Held ist saturiert. Jung hat er eine Erfindung gemacht, erfolgreich eine Firma aufgebaut, die Firma verkauft und nun hat er keine Sorgen mehr. Und keine Aufgaben, denn er hat kein Privatleben. Um dieser ereignislosen Tristesse und seinen Ängsten zu entkommen und neuen Lebensmut zu finden, zieht er sich in ein Sanatorium zurück. Obwohl teuer, ist dieses kein ‚Zauberberg‘, sondern liegt bei Anklam in der ländlich-abgehängten Ebene Mecklenburg-Vorpommerns, nahe der polnischen Grenze. Und den Platz der europäischen Hautevolee, die in Thomas Manns Roman die Gesellschaft bestimmte, haben deprimierte und ausgebrannte deutsche Besserverdienende eingenommen; statt intellektueller Gespräche und ausgedehnter Liegekuren bestimmt jetzt das zeitfüllende Getriebe therapeutischer Anwendungen, in denen sich jeder selbst finden, darstellen und ausdrücken soll, den öden Tagesablauf.
Das ist - vor allem wegen der Charakterisierungskunst Strunks - lustig, aber nicht nur. Denn selbst wer bisher noch kein derartiges Angebot genießen durfte, hat die Szenerie und ihr Personal klar vor Augen: Man kennt solche Sorgen, Ängste, Traurigkeiten, wenn vielleicht auch in kleinerem Maße; man erkennt die Figuren, ihre mühsam aufrecht erhaltenen Gespräche und die Mühsal, solche Gespräche aufrecht zu erhalten. Je mehr sich Strunk der Schilderung dieser Welt überlässt, um so plastischer wird die Darstellung, die Prägnanz der Szenen überlagert die metaphorische Verspieltheit der Witze und Empathie tritt schließlich an die Stelle der distanziert-humorvollen Überlegenheit, die Strunks Bücher häufig auszeichnete. Ein Buch wie aus dem richtig(en) falschen Leben.
Zu einer Rezension von Norman Ohlers Der Zauberberg, die ganze Geschichte gelangen Sie hier.