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Eva Menasse | Tiere für Fortgeschrittene 

Kiepenheuer & Witsch 2017
320 Seiten
20.00 Euro

ISBN 978-3-462-047-912

von Friederike Rademacher | Download

Bienen und Schmetterlinge, die Krokodilstränen aufsaugen? Raupen, die sich während der Nahrungsaufnahme ungewollt ihr eigenes Grab schaufeln? Igel, die sich in Eisbecheröffnungen verfangen und Enten, die auch schlafend noch nach Fressfeinden Ausschau halten? Unglaublich, oder? Wer glaubt, es handele sich bei Eva Menasses Erzählband Tiere für Fortgeschrittene lediglich um skurrile Geschichten aus der Tierwelt, der irrt. In acht Erzählungen ihres neuesten Bandes widmet sich die österreichische Autorin ganz und gar der Gattung Mensch! Die von Menasse den einzelnen Erzählungen jeweils vorangestellten Kuriositäten aus der Tierwelt dienen ihr dabei als eine Art Rahmensetzung für das, was folgt. Die jahrelang von der Autorin gesammelten Zeitungsmeldungen aus der Tierwelt scheinen ihr, wie umgekehrte Fabeln, auch etwas über menschliche Verhaltensweisen zu verraten. Doch diese Analogien gelingen nicht immer, so amüsant und informativ die den Erzählungen vorangestellten Tiermeldungen auch sind, oft muß sich der Leser fragen, was sie mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben. Nur selten sind die jeweiligen Verknüpfungen auf Anhieb nachvollziehbar, manchmal sogar überhaupt nicht zu decodieren. Das ist umso ärgerlicher, als dass sie für das Verständnis der Erzählung eigentlich gar nicht nötig sind und einen kleinen Schatten auf ein ansonsten gelungenes Werk werfen.

Die herausragende Stärke von Menasses Erzählband Tiere für Fortgeschrittene liegt eindeutig darin, dass es ihr gelingt, auf nur wenigen Seiten einer Erzählung facettenreiche und tiefgründige Figuren zu zeichnen, deren Schicksale dem Leser nahe gehen. Eva Menasse beweist dabei eine präzise Beobachtungsgabe: Sie schildert mit scharfem Blick und einer Mischung aus melancholischem Ernst und pointiertem Witz die Probleme des Zusammenlebens der Spezies Mensch. Sie erzählt raffiniert, teilweise auf Nebenwegen und mit überraschenden Wendungen, Geschichten von Problemen moderner Patchwork-Familien, von älteren Ehepaaren, die sich auseinanderleben oder betrügen, von Liebesbeziehungen, die nur mit Mühe aufrechterhalten werden und von einer Künstlerkolonie, die den Aufstand probt. In jeder ihrer acht Erzählungen in Tiere für Fortgeschrittene gewährt die Autorin Eva Menasse tiefe Einblicke in das Seelenleben ihrer Figuren; sie erzählt Geschichten zwischen Alltäglichem und Abgründigem und lotet dabei sprachlich gekonnt und erzählerisch raffiniert die menschliche Natur aus. Sehr lesenswert!

Eva Menasse wurde 1970 in Wien geboren und ist eine Halbschwester des in diesem Herbst mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichneten Robert Menasse. Seit 2003 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. Sowohl ihr 2005 erschienener Debütroman Vienn, als auch die folgenden Erzählungen und Essays waren große Erfolge. Für ihren Roman Quasikristalle wurde sie mit dem Gerty-Spies-Literaturpreis, dem österreichischen Alpha-Literaturpreis sowie dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln ausgezeichnet. 2015 war Menasse Stipendiatin der Villa Massimo in Rom und erhielt für ihr bisheriges Werk den Jonathan-Swift-Preis für Satire und Humor. Für Tiere für Fortgeschrittene erhielt sie 2017 den Österreichischen Buchpreis und wurde im selben Jahr mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet.

(Friederike Rademacher)


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