Reprodukt Verlag
176 Seiten
9,90 Euro
ISBN 978-3-95640-402-3
von Tessa Schäfer
Franz Kafka ist für den Schriftsteller David Zane Mairowitz und den Illustrator Robert Crumb seit 1993 ein wichtiges und immer wiederkehrendes Thema ihrer Projekte. Anlässlich des 100. Todestages des deutsch-tschechischen Schriftstellers ist kürzlich im Reprodukt-Verlag eine kostengünstige Taschenbuchausgabe des erstmals 1993 auf englisch und 1995 auf deutsch veröffentlichten Sachbuchcomicklassikers erschienen.
Kafka vereint alles: Der Comic beginnt mit dem Geburtsjahr Kafkas 1883 in Prag, behandelt sein dortiges Aufwachsen im Kontext der zeitgenössischen Begebenheiten, beleuchtet Kafkas literarisches Schaffen bis zu seinem Tod und auch darüber hinaus.
Lokale Legenden, die Kafkas Leben prägten, wie die des Prager Golems, der die Synagogen beschützt, finden in dem Buch ebenso ihren Platz wie die schwierige Beziehung zu seinem Vater, dem Judentum und sich selbst. All das wird in Kafka mit sachlichen, aber zumeist humorvoll geschriebenen Informationen unterfüttert und durch anschauliche Zeichnungen abgerundet. Ergänzt werden die Fakten und Hintergründe aus Kafkas Leben durch Teile einiger Werke wie etwa Das Urteil, Die Verwandlung oder In der Strafkolonie, die als Comic in zugänglicher Form dargestellt werden.
Obwohl Franz Kafka an großen Selbstzweifeln, ja gar Selbsthass, litt, was sich auch auf sein Liebesleben auswirkte, führte er im Laufe seines kurzen Lebens Beziehungen zu vier Frauen – auch wenn drei dieser Beziehungen fast rein postalischer Natur waren. Diese finden ihren ebenfalls verdienten Platz in Kafka, genauso wie seine jüngere Schwester Ottla, die »andere« Frau in Kafkas Leben. Bei ihr fand er zeit seines Lebens Zuflucht vor seinem strengen Vater, und zu ihr rettete er sich auch im Frühstadium seiner Tuberkulosekrankheit, an der er letztlich im Alter von nur 40 Jahren sterben sollte. Seine finalen Monate verbrachte er jedoch mit seiner letzten Liebe, der damals 25-jährigen Dora Diamant, mit der er nach Berlin ging. Im Berlin des Jahres 1923 erlebte er die ersten Vorzeichen des nahenden Nationalsozialismus, dem auch die Manuskripte, die er bei Dora ließ, zum Verhängnis wurden. Kafka starb schließlich am 3. Juni 1924 in einem Wiener Sanatorium, konnte jedoch kurz zuvor noch die Fahne für Ein Hungerkünstler korrigieren. Der Sachbuchcomic Kafka endet jedoch nicht mit dem Tod des Titelgebers, sondern beleuchtet abschließend auch noch den Umgang mit Franz Kafka und seinen Werken während der Zeit des Kalten Kriegs sowie den heutigen Kafka-Kult.
Kafka ist kein klassischer Comic, dafür gibt es zu viele und zu lange Texte und keine Sprechblasen. Dennoch werden Mairowitz‘ Texte durch die fantastischen Zeichnungen von Crumb leicht und lebendig und schaffen damit einen gut zugänglichen Überblick über das Leben von Franz Kafka. Die Bilder sind zwar schroff und anarchisch gemalt, inspiriert durch Kafkas Zeitgenossen Georg Grosz und Otto Dix, bilden aber Kafkas mit sensibler Sprache formulierte Beschreibungen detailliert und passend ab. Lediglich die ausschließlich biografische Auslegung von Kafkas Texten seitens Mairowitz, die keine anderen Interpretationen zulassen, ist an diesem Comic kritisch zu sehen.