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Dana Vowinckel|Gewässer im Ziplock 

Suhrkamp Nova
362 Seiten
23 Euro
ISBN 978-3-518-47360-3

von Tessa Schäfer

Margarita ist fünfzehn Jahre alt, wohnt mit ihrem Vater in Berlin, hat gerade die 10. Klasse des jüdischen Gymnasiums abgeschlossen und kommt nach den Sommerferien in die Oberstufe. Ihr Leben in Berlin ist geprägt von Freunden, insbesondere durch ihre beste Freundin Anna, mit der sie schon die ein oder andere Nacht durchgemacht hat. Ihre Sommerferien jedoch verbringt Margarita nicht in Berlin, sondern in Chicago bei ihren Großeltern mütterlicherseits.

Zu ihrer Mutter Marsha hingegen hat sie aber gar keinen Kontakt. Sie verließ die kleine Familie, als Margarita noch ein kleines Mädchen war. Alle um Margarita sind sich sicher, dass dies ihr letzter Sommer bei ihren Großeltern wird, denn auch schon jetzt verbringt sie ihre Zeit nur unfreiwillig bei Selma und Dan. Zu weit weg von ihrem eigentlichen Lebensmittelpunkt, verstärken die schrecklichen Geräusche der Großeltern während des Essens dieses Gefühl. Als ihr Vater und ihre Großmutter ihr dann offenbaren, dass sie ihre Mutter, in Jerusalem besuchen soll, wird Margarita vor eine große persönliche Herausforderung gestellt. Trotzdem lässt sie sich darauf ein und landet schließlich in Tel Aviv, Isreal. Das Land erscheint ihr genauso fremd wie ihre Mutter, die sie dort treffen soll, aber auf seltsame Weise auch vertraut. Doch schon der Beginn dieser Reise und die Beziehung hätten nicht schlechter verlaufen können, denn Marsha holt Margarita nicht vom Flughafen ab. Stattdessen landet Margarita bei dem 17-jährigen Lior, den sie kurz zuvor im Flugzeug kennengelernt hat. Am nächsten Tag treffen Mutter und Tochter schließlich doch noch aufeinander, und bald beginnt eine Reise durch Israel, auf der viel gestritten wird, aber auch Gemeinsamkeiten offenbart werden. Margarita wirkt in weiten Teilen sehr viel reifer als eine durchschnittliche 15-Jährige, lediglich die immer wiederkehrenden Selbstzweifel in Bezug auf ihren Körper zeigen, dass hier ein Teenager spricht und fühlt.

Doch Gewässer im Ziplock erzählt nicht nur Margaritas Geschichte, sondern auch die ihres Vaters Avi. Die Erzählpassagen der beiden befinden sich im stetigen Wechsel. Avi, ein Israeli, widmet sich nach seiner Zeit im Militär dem Musikstudium und ist mittlerweile Kantor in der Neuen Synagoge in Berlin. Als alleinerziehender Vater eines Teenagers hat er es nicht immer leicht. Während Margarita in den USA ist, fängt er an, seine Rolle und sein Leben zu reflektieren. Seine Verbundenheit zu Marsha, möglicherweise der Liebe seines Lebens, bleibt bestehen. Trotz des Wunsches nach Gemeinschaft, findet er keinen Weg zu Marscha zurück. »Seine Wahrheit, die er kaum kannte, sein Leben, sie schienen ein Wanken zwischen den Welten zu sein, zwischen den Sprachen, ein Wanken zwischen den Jahren, den Tagen, den Minuten« (S. 106). Vor den großen Feiertagen Rosch haSchana und Jom Kippur fährt er nach Spiekeroog, um seine Stimme zu schonen, in Erinnerungen zu schwelgen und sich eventuell auch auf eine neue Beziehung einzulassen. Doch das Glück steht nicht auf seiner Seite, und schließlich findet er sich auf dem Weg in sein Heimatland wieder.  Die größte Konstante seines Lebens, Margarita, ist in Israel verschwunden und nicht erreichbar.

Nach 13 Jahren trifft er an dem Ort, an dem er und Marsha sich kennen und lieben lernten, auf seine ehemalige Partnerin – vereint in der Sorge um ihr gemeinsames Kind. Die Sorge um Margarita schwingt, nachdem sich alles aufgeklärt und die Tochter wieder zurück bei ihren Eltern ist, jedoch schnell in Sorge um Selma, Marshas Mutter, um, und die Familie, die eigentlich gar keine richtige Familie ist, reist gemeinsam nach Chicago. Dort wird Margarita vor eine für alle folgenreiche Entscheidung gestellt.

Dana Vowinckel legt mit Gewässer im Ziplock ein fantastisches und ungewollt hochaktuelles Romandebüt vor, das leicht zwischen Kontinenten und Erzählperspektiven hin- und herwechselt, ohne dabei die Kontinuität zu verlieren.


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