Carlsen 2013
176 Seiten
6,99 Euro
ISBN 978-3-551-31242-6
von Andrea Hermes | Download
Sammle Fans, sammle Punkte, poste viel, poste ALLES!
„Ich muss dir etwas erzählen, aber es darf wirklich niemand erfahren. Nur dir kann ich noch vertrauen. Ich weiß, dass bei dir ein Geheimnis auch ein Geheimnis bleibt – und es nicht gleich die ganze Welt erfährt. Wenn du dich nicht mehr auf deine Freunde verlassen kannst, auf wen dann?“
Mit diesen eindringlichen Sätzen beginnt Thomas Feibels Jugendroman Like me (2013) und deutet schon auf das Thema des Buches hin: Die Frage nach echter Freundschaft, nach Vertrauen und dem richtigen Umgang mit der Öffentlichkeit. Die Ich-Erzählperspektive nimmt hier die 13-jährige Karo ein, deren Leben sich grundlegend ändert, als Jana neu in ihre Klasse kommt. Denn so jemanden wie Jana hat Karo noch nie getroffen: Sie sieht sehr gut aus, ist selbstbewusst und weiß genau, was sie will – nämlich Moderatorin bei ON Show werden, der online Show des sozialen Netzwerks ON, das gerade in aller Munde ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Jana jedes Mittel recht. Jedes.
Thomas Feibel zeigt in diesem Roman vor allem die negativen Folgen auf, die der unbedachte und unaufgeklärte Umgang mit sozialen Netzwerken im Internet haben kann. Denn als Karo, die Jana unbedingt gefallen will, sich ebenfalls bei ON anmeldet, herrschen bei ihr erst einmal Euphorie und Aufregung vor. Schnell schickt sie jedem, den sie auch nur entfernt kennt (wie beispielsweise ihrer Kunstlehrerin und ihrem Kinderarzt) eine Freundschaftsanfrage und verbringt Stunde um Stunde vor dem PC – denn wer viele Freunde auf ON hat, kann umso mehr Punkte für Beiträge bekommen. Und wer die meisten Punkte hat, kann ON Show-Moderator werden. Um Punkte zu sammeln, muss man möglichst viel posten, daher schließen Jana, Karo und Eddie, ein Klassenkamerad, in den Karo heimlich verliebt ist, einen Pakt: „Wir drei wollen immer zusammenhalten und uns immer gegenseitig Punkte geben. Ganz gleich, was der andere postet.“ Doch auf der Jagd nach Punkten gibt es viele Opfer, denn Jana, Karo und Eddie stellen bedenkenlos Videos und Fotos online, die einige Lehrer ihrer Schule in Verruf bringen und schließlich dazu führen, dass ein Mitschüler nicht mehr am Unterricht teilnehmen will. Feibel macht hier aber nicht nur auf die Ahnungslosigkeit Jugendlicher aufmerksam, sondern auch auf die der Erwachsenen, wie beispielsweise der Lehrer an Karos Schule: Anstatt sich selbst über das soziale Netzwerk zu informieren und die Schüler aufzuklären, verbieten sie schlichtweg die Benutzung von Handys und Kameras an der Schule, was jemanden wie Jana natürlich nicht davon abhält, trotzdem ihr Smartphone zu benutzen.
Ohnehin ist dem Autor mit Jana nicht nur eine sehr unsympathische, sondern zugleich auch vielschichtige Figur gelungen, der man als Leser am liebsten gehörig die Meinung sagen möchte, wenn sie Karo wiederholt mit ihrem „Du-Dummerchen-Blick“ oder einem „Ach Schätzchen“ bedenkt. Letztlich erfährt man jedoch die Beweggründe für ihr Verhalten. Karo dagegen ist eine gewissenhafte Figur, in die sich Jugendliche gut hineinversetzen können und die die Leser immer wieder durch direkte Anreden ins Geschehen einbindet.
Like me ist ein gelungener Roman, der Jugendliche ebenso wie Erwachsene anspricht und auf die Gefahren von sozialen Netzwerken wie Cyberbullying, Isolation, Konkurrenz, Vernachlässigung von Schule und Freunden hinweist, es dabei aber schafft, Plattformen wie Facebook nicht rundheraus zu verteufeln, sondern den Leser vielmehr zum Nachdenken anzuregen.
Über den Autor:
Thomas Feibel (Jahrgang 1962) ist führender Journalist zum Thema „Kinder und Computer“. Er leitet das „Büro für Kindermedien“ in Berlin, publiziert u.a. in spielen und lernen und Dein SPIEGEL und arbeitet zudem für Hörfunk und Fernsehen. Er hält Vorträge, gibt Workshops und hat bereits zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Ebenfalls beim Carlsen Verlag ist von ihm Facebook und andere Netzwerke (2013) erschienen, ein kurzer, sehr gut verständlicher Ratgeber rund um das Thema Anmeldung, Einstellen der Privatsphäre und gewissenhafter Umgang mit den eigenen Daten und Informationen auf Facebook. Nicht nur Jugendliche, sondern auch Eltern und Lehrer können sich hier gute Ratschläge einholen.