Wallace. Lesung und Gespräch mit Anselm Oelze über die Naturforscher Alfred R. Wallace und Charles Darwin 

Mittwoch, 27.3., 19 Uhr

Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie
Senckenbergstr. 17
35390 Gießen

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5+3 € | 3+2 € erm. | LZG-Mitglieder frei
Ein Teil der Eintrittseinnahmen geht an den Förderverein der HHA zur Unterstützung und Förderung des »Walprojekts«.

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Moderation: Volker Wissemann (Direktor der Hermann-Hoffman-Akademie)

Am Mittwoch, den 27.3., las Anselm Oelze vor einer ganz besonderen Kulisse. Durch einen schummrigen Flur, erhellt nur von den Gemälden fluoreszierender Meeresbewohner, gelangten die zahlreichen Zuhörer*innen in den Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie. Dort fanden sie sich unter dem beeindruckenden Skelett des jungen Pottwals wieder, das seit Anfang des Jahres über den Sitzreihen hängt. Genau der richtige Ort, um Oelzes Romandebüt Wallace zu lauschen, in dem er die Geschichte des Artensammlers Alfred Russel Wallace erzählt. Zeitgleich mit Charles Darwin lüftete der Sammler das Geheimnis um die Entstehung der Arten. Den Ruhm dafür jedoch erntete nur Darwin, Wallace blieb weitgehend unbekannt.

Mit diesem Schicksal ist Wallace nicht alleine. Ähnlich erging es auch dem Namensgeber der Hermann-Hoffmann-Akademie, erklärte deren Direktor und Moderator des Abends, Volker Wissemann. Die Pasteurisierung könnte ebenso Hoffmannisierung heißen, denn der französische Chemiker Louis Pasteur und Heinrich Hoffmann hatten diese zündende Idee zur gleichen Zeit. Oelze verrät, er habe eine ganze Liste solcher Paare in seiner Schreibtischschublade liegen. Doch keiner der übergangenen und vergessenen Wissenschaftler und Forscher habe sich so gut als Romanfigur geeignet wie Wallace. Er war Reisender. Er war mutiger Abenteurer, der gegen Alligatoren kämpfte. Er operierte sich selbst – diese Romanstelle ist wirklich nichts für schwache Nerven! Gleichzeitig schien ihm das Selbstbewusstsein zu fehlen, um aus Darwins Schatten zu treten. Oder lag es dem Artensammler vielleicht sogar, im Dunkeln zu bleiben? Diese Widersprüchlichkeit im Wesen des Forschers habe Oelze besonders fasziniert.

Der Autor verrät außerdem, dass er selbst schon in seiner Jugend vor allem Reiseberichte gelesen habe. Es ist also kein Zufall, dass er sich ausgerechnet für Wallace entschieden hat, der auf der ganzen Welt nach seltenen Tieren und Pflanzen suchte. Und auch auf der zweiten Ebene des Romans, die in der Gegenwart angesiedelt ist, spielt das Reisen eine große Rolle. Nachdem der Museumswächter Albrecht Bromberg durch Zufall auf eine Fotografie des bärtigen Wallace gestoßen war, nahm sein Leben schicksalhafte Wendungen. Er beginnt sich von seiner täglichen Routine zu lösen und auf den Spuren des Forschers um den Globus zu reisen. Bromberg, ebenso bescheiden und zurückhaltend wie der Artensammler, fragt sich, ob man die Geschichte umschreiben kann? Wie kann Wallace die Würdigung erfahren, die ihm zusteht? Wer bestimmt, wie wir die Vergangenheit betrachten? Ist die Wahrheit eine reine Konstruktion?

Diese großen Fragen des Buches offenbaren Anselm Oelzes Profession. Er studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Philosophical Theology in Freiburg und Oxford und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Heute lehrt er an der LMU München. Nach zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen erschien mit Wallace nun sein erster Roman. Das Gespräch und die gelesenen Stellen zeigen, Oelze ist ein leidenschaftlicher Erzähler.

Mit kleinen Geschichten erheitert er das Publikum und auch sein Roman ist durchzogen von vielen Anekdoten. Dabei erklärt er, was ein Sandfloh ist, wie schmerzhaft es ist, diesen wieder loszuwerden oder dass nicht immer feststand, Flüsse nach Länge, Breite und Fließgeschwindigkeit zu ordnen. Ebenso hätte man die wunderschöne Farbvielfalt als Ordnungskategorie nutzen können. Außerdem verrät er, wie das Tonic Water erfunden wurde. Denn der verschrobenen Antiquar Schulzen, ein Freund Brombergs, genehmigt sich gerne ein Glas. Dass Gin auch für Wallace wichtig war, fand Oelze erst nach Beenden des Romans heraus. Mit einer Flasche des Getränks löste der Artensammler bei einem Ureinwohner Amazoniens etwa jenen wunderschönen, schillernden Käfer aus, der heute das Cover des Buches schmückt und nach Wallace benannt ist.

Im Roman verschwimmen die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion. Manchmal wisse Oelze selbst nicht mehr, welche Passagen er sich ausgedacht habe und welche er vielleicht schon einmal in einem Reisebericht von Wallace selbst gelesen habe. Die Emil-Birnstil-Gesellschaft jedenfalls ist reine Erfindung. Sie wurde gegründet, damit die Nachtwächter der Museen sich morgens unter dem Deckmantel der Ernsthaftigkeit zum Feierabendbier treffen können. Viele weitere spannende und amüsante Anekdoten finden sich in Oelzes Roman. Auch die Frage, ob es Bromberg gelingt, die Geschichte zu ändern und dem vergessenen Artensammler Wallace einen Platz in unserer Erinnerung zu schaffen, wird beantwortet. Anselm Oelze ist es mit seinem Roman auf jeden Fall gelungen, Wallace der Vergessenheit zu entreißen.

 

(Annabelle Schwager)


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