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Simon Strauss | Sieben Nächte 

Blumenbar Aufbau Verlag 2017
144 Seiten
16 Euro
ISBN 978-3-351-05041-2

von Anna Jablonowski | Download

Der Protagonist in Sieben Nächte ist verzweifelt. Er hat eine ungeheure Angst der Normalität zu verfallen. Keineswegs möchte er ein 0815 Leben führen, das er tagtäglich in der Stadt beobachten kann. Augenscheinlich betrifft ihn das Problem vieler seiner Generation: Er hat Angst sich auf etwas festzulegen, auf einen Job, einen Wohnort, eine Freundin oder einen Urlaubsort. Doch geht die Angst des Protagonisten eigentlich noch viel tiefer, denn eigentlich hat er Angst sein Leben falsch zu leben. Um ihm diese Angst zu nehmen, schlägt ihm ein Bekannter eine Reifeprüfung vor. Er muss jede Nacht eine der sieben Todsünden – also Hochmut, Völlerei, Faulheit, Habgier, Neid, Wollust und Jähzorn – begehen. „Auf dass du eine findest, in der du dich wohlfühlst. Oder dich für immer von ihnen abkehrst“, so der Bekannte. Nachts solle er seinen Streifzug durch die Stadt führen. Bis sieben Uhr früh muss der Protagonist dann jeweils sieben Seiten über seine nächtlichen Abenteuer verfassen. Beschrieben wird sein Vorhaben als ein letztes Aufbäumen, bevor der „Übergang“ zu einem von Kompromissen geprägten Leben unvermeidlich wird.

Sehr selbstreflexiv beschreibt sich der Protagonist, sieht sich eher als Feigling, dem es mit den Jahren immer weniger wichtig wird, seine eigene Meinung zu äußern. Schon in der Schule war er stets bemüht, das zu tun, was von ihm erwartet wurde. Doch sehr treffend sagt er selbst: „Ich bin einer, der selbst in der ätzendsten Selbstkritik selbstgefällig bleibt, selbstverliebt, selbstgenügsam.“ Ambitioniert schreibt der Protagonist über sein anstehendes Abenteuer, welches durch das Gerüst der sieben Todsünden gestützt wird. Doch ein Tabubruch, den man mit dem Begehen einer Todsünde vermuten möchte oder ein besonders provokanter Versuch bleiben aus. Stattdessen begeht er die Sünden zurückhaltend, verwettet beim Pferderennen in Habgier nur einen sehr geringen Einsatz, zerwirft sich in Wut lediglich mit einem Freund und begnügt sich in Völlerei mit dem Besuch in einem noblen Fleischrestaurant. Was sich jedoch durch die Kapitel zieht, ist die erste Sünde, die er begeht: Hochmut. Anstatt sich selbst zu ändern, weiß der Protagonist sich stets über Figuren, die seinen Weg kreuzen, lustig zu machen und bei dieser Gelegenheit oft auch seine intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren. So kritisiert er lieber den Kellner des Fleischrestaurants, der Sommelier falsch ausspricht, als sich auf sein eigentliches Vorhaben, die Völlerei, zu konzentrieren.
Dennoch, die andauernde Selbstreflexion und Beschreibung einiger Stereotypen unserer heutigen Gesellschaft regen dazu an, das eigene Verhalten zu hinterfragen und vielleicht das eine oder andere Mal etwas risikobereiter zu handeln. Strauss Text ist dabei von vielen Referenzen geprägt, sein Protagonist verweist nur zu gerne auf seine literarischen und philosophischen Vorbilder wie Nietzsche, Braque, Hemingway. Durch die ausschließliche Darstellung der Wirklichkeit des Protagonisten und der detaillierten Beschreibung dessen emotionaler Situation, wirkt der Text sehr authentisch, bietet jedoch auch wenig Identifikationsmöglichkeiten für den Leser.

Simon Strauß, geboren 1988 in Berlin, studierte Altertums-wissenschaften und Geschichte in Basel, Poitiers und Cambridge. 2017 promovierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer althistorischen Arbeit über „Konzeptionen römischer Gesellschaft bei Theodor Mommsen und Matthias Gelzer“. Er lebt in Frankfurt, ist Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Mitorganisator des Jungen Salons in Berlin. Sieben Nächte ist sein literarisches Debüt.

 

(Anna Jablonowski)


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