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George Watsky | Wie man es vermasselt 

Aus dem Amerikanischen von Jenny Merling
Diogenes Verlag 2017
336 Seiten
22 Euro
ISBN 978-3-257-86317-8

von Johanna Becker | Download

 

»[N]iemand nimmt sich bewusst vor, in den internationalen Elfenbeinschmuggel einzusteigen. Es passiert einfach eines Tages.« Mit diesen Worten beschreibt George Watsky im ersten Essay seines Prosa-Debüts Wie man es vermasselt seine illegalen Machenschaften anlässlich des 100-jährigen Geburtstags der Großtante seines Mitbewohners. Klingt weit hergeholt? Es wird noch besser. Denn es handelt sich nicht wie beim Wort »Elfenbein« vermutet um einen Elefantenstoßzahn, sondern um den 120 Zentimeter langen Stoßzahn eines Narwals, den Tante June auf einer Kreuzfahrt durch die kanadische Arktis ganz legal gekauft hat. Die von Narwalen besessene Frau musste jedoch feststellen, dass der Stoßzahn unter die Kategorie Elfenbein fällt und seine Einfuhr in die USA damit illegal ist. Sie musste ihn also schweren Herzens bei einer Bekannten in Vancouver lassen. Kurzerhand entschließen sich ein gelangweilter Watsky und sein Mitbewohner Jackson dazu, sich anlässlich Junes 100. Geburtstags auf den Weg zu machen, um den Stoßzahn über die Grenze zu schmuggeln und der alten Dame ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Da diese Geschichte noch nicht abstrus genug ist, wird Watsky auf der Rückreise kurz vor Denver von einem gelangweilten Polizisten verhaftet und muss eine Nacht im Gefängnis verbringen – nicht etwa, weil genannter Polizist den geschmuggelten Stoßzahn findet, sondern wegen einer alten, in Vergessenheit geratenen Pfeife mit Resten von Marihuana. Trotz dieser und einiger anderer Abenteuer und Pannen während des Roadtrips schaffen er und Jackson es, den Stoßzahn pünktlich zu Junes Geburtstag als Geschenk zu überreichen.

Dieses abenteuerliche Erlebnis beschreibt George Watsky in einem von dreizehn Essays in Wie man es vermasselt. An Banalitäten und Witz mangelt es keinem von ihnen. Auf selbstironische, authentische und unglaublich komische Art erzählt Watsky von Ereignissen aus seinem eigenen Leben. Die schonungslose Offenheit und Ehrlichkeit sind es, die das Buch und ihren Autor dabei so sympathisch machen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine klassische Autobiographie, sondern eher um eine Sammlung von Erlebnissen während der Selbstfindungsphase im Leben eines Mannes, die von harmlosen Peinlichkeiten über Fehlstarts und Abfuhren bis hin zu kleinen Triumphen reichen. »Denn nur das Scheitern ergibt Geschichten, die es zu erzählen und zu erleben lohnt.«

So verblutet ein Freund Watskys beinahe bei den traditionellen Stierkämpfen im spanischen Pamplona, die die erste Station des Rucksackurlaubs nach dem Highschool-Abschluss sind – und das, bevor die besagten Kämpfe überhaupt begonnen haben. In dieser Situation kommen Watsky seine alten Sprachkenntnisse aus Zeiten seines spanischsprachigen Kindergartens zugute. Etwa im Kindergartenalter bringt er in einem anderen Kapitel seine Mutter auch das erste Mal zum Verzweifeln, indem er zum Direktor geschickt wird, weil er seiner Lehrerin unter das Kleid gekrochen ist – einfach aus Interesse daran, was sich darunter befindet. 

Diese und viele weitere (oft sehr komische und teils banale) Erlebnisse schildert Watsky in seinem Prosa-Debüt. Dabei sind die Essays nicht chronologisch geordnet und der Leser wird von einer Situation in die nächste geworfen. Jedoch wird dadurch die Banalität der ein oder anderen Situation mehr unterstrichen, als dass es für den Leser verwirrend wird. Dass Watsky bereits einige Erfahrung im Umgang mit Sprache hat, wird durch seinen flüssigen und leicht lesbaren Stil deutlich. Seine ersten Misserfolge und späteren Erfolge im Bereich des Poetry Slams und der Musik finden ebenfalls Erwähnung in den Essays. Man verschlingt die Texte regelrecht, unter anderem aufgrund der scheinbar zusammenhanglosen, aber interessanten Fakten, die die Geschichten häufig noch komischer erscheinen lassen. Man hat das Gefühl, man würde mit einem guten Freund über Erinnerungen plaudern und gemeinsam darüber lachen. Durch die Aufteilung in dreizehn voneinander unabhängige Essays lässt sich jedoch zwischen den Texten auch eine längere Pause machen, ohne dass man dabei den Anschluss verliert. 

Wie man es vermasselt ist ein Buch »[f]ür alle, die genug davon haben, alles richtig zu machen«. Es ist ein Buch mit der Art Humor, die einen weniger laut auflachen, sondern eher schelmisch schmunzeln lässt, wenn man versucht, sich die abstrusen Erlebnisse bildlich vorzustellen. Schlussendlich ist es ein Buch, das Leser*innen dazu antreibt, trotz aller Peinlichkeiten und Misserfolge weiter am Ball zu bleiben und nicht im Traum daran zu denken aufzugeben.

Über den Autor:

George Watsky (*1986 in San Francisco) ist ein amerikanischer Hip-Hop-Musiker, Lyriker, Dramatiker, Schauspieler und preisgekrönter Poetry Slammer. Als Rapper hat er fünf Alben veröffentlicht, seine originellen und intelligenten Videos werden im Netz millionenfach angeklickt. Wie man es vermasselt ist sein Prosa-Debüt.

(Johanna Becker)


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