Club der Gießener jungen Dichter. "Ein Tag für die Literatur": Lesung und Gespräch mit Daniel Schneider 

Sonntag, 26.5., 19 Uhr

KiZ (Kongresshalle)
Südanlage 3a
35390 Gießen

Gästebuch 

Wer schon immer wissen wollte, wie man sich als Autor beim Schreiben fühlt, dem bot sich am vergangenen Sonntag im KiZ (Kongresshalle) die Gelegenheit, Daniel Schneiders unmittelbaren Erfahrungen aus seinem Schreiballtag zu lauschen. Schneider ist für das Literarische Zentrum kein Unbekannter. Er hatte von August 2014 bis Februar 2016 selbst ein Volontariat beim Verein abgeleistet. Seine Erzählung Der Dreck unter den Fingernägeln, die am Sonntag ebenfalls erworben werden konnte, dürfte vielen Mitgliedern des LZG bekannt sein. Sie ist gegenwärtig eine Beigabe für neue Mitglieder. Zurzeit arbeitet und promoviert Schneider an der Universität München. Mit Witz und Charme erzählte der Autor den zahlreichen Anwesenden von seinen Erlebnissen als Stipendiat des Hessischen Literaturrats e.V. im schönen Bordeaux und hatte dazu ein Tagebuch aus dieser Zeit mitgebracht, in dem er mit einem Augenzwinkern davon berichtet, wie wichtig eine gute Ortskenntnis und eine saubere Behausung sind, um sein eigenes Projekt auch sicher aus den Augen zu verlieren. Seine Tagbucheinträge erzählen die Geschichte eines Jungautors, der auf humorvolle Art und Weise von seinen Schreiballtag berichtet, der unter den zahlreichen Eindrücken und den Verdrängungsmechanismen untergeht. Gleichzeitig sind es aber auch Geschichten des Alltags. Schneider, der während seines Stipendiums als frischgebackener Hausherr eine Villa in der Altstadt Bourdeauxs bewohnen durfte, beschäftigt sich mit Baumaßnahmen, verwirrten Erkundungstouren und ist auf der Suche nach dem Sinn des Autorendaseins. Es ist aber besonders der Eindruck, Lebendigkeit des französischen Alltags, der den Zuhörern der Lesung an diesem Abend Freude bereitete. Darüber hinaus gab Daniel Schneider exklusive Einblicke in seine Arbeit an seinem Erstlingswerk. Wenn er schreibe, so sei ein Text zunächst nur als Rohmasse zu sehen, der wie aus Gips geformt werden müsse. Der Prozess seines Schreibens unterliegt dabei vielen Korrekturen, die auch Moderator Marco Rasch (LZG) während der Lesung zu spüren bekam. Seine von Schneider bereitgestellten Textauszüge glichen zum Teil nicht denen, die Schneider letztendlich vorlas. Marco Rasch sprach Daniel Schneider danach auf sein Romanprojekt Spindlers Wege an, in dem der fiktiver Autor Jakob Spindler mit dem Literaturbetrieb abrechnet. In verschiedenen Ausschnitten erhielt das Lesungspublikum einen exklusiven Einblick in eine Geschichte, die nicht nur die Begegnung von Jakobs Eltern beschreibt, sondern sich auch der Kindheit und dem Erwachsenwerden des fiktiven Autors in den 1970er- und 1980er-Jahren widmet. Schneiders Hauptcharakter Jakob ist dabei klug und reflektiert und zeigt schon früh sein literarisches Talent, als er eine Strafarbeit in der Grundschule in Briefform beantwortet und seine Mitschüler*innen und die Klassenlehrerin vorführt. Jungautor Schneider, der keinen historischen Roman schreiben will, erzählte in Ausschnitten die Geschichte einer Familie über mehrere Jahrzehnte hinweg und lud alle Anwesenden ein, sich mit den Zeichen der Zeit auseinandersetzen. Nur Kundige werden sicher wissen, wann es zum ersten Mal Playmobil gab oder aber ob eine BMW Isetta zum Fahrzeug eines Charakters in seinem Roman werden könne, bemerkte Schneider. Solche Details seien aber besonders wichtig, um Romanschauplätze zu kreieren und bedürfen einer ständigen Recherche. Möglicherweise, so vermutete Moderator Marco Rasch an diesem Abend, gehe es Schneider auch darum, auf den Zeitgeist zu verweisen. Schneider aber sei es wichtig, eine Art Roman zu schreiben, der zum Nachdenken anrege. Die Idee zum Text jedenfalls, war für Schneider ein Rückgriff auf alte Überlegungen; Schon mit 16 wollte er eine ähnliche Geschichte verfassen, aber erst seit 2015 sehe er sich dazu wirklich in der Lage. Genauso wie sein Hauptcharakter Jakob sei auch Schneider mit der Zeit an seinen Anforderungen gewachsen, reifer geworden. Ein möglicher Verweis auf die Adoleszenz also, der man doch nie ganz Herr werden kann, weil Erinnerungen und Ideen der eigenen Jugend auch aus der Distanz heraus immer wieder hervorgeholt werden können? Vielleicht dürfen wir uns im kommenden Jahr auf eine spannende Geschichte in 18 Kapiteln freuen, die doch schon weiter fortgeschrieben ist, als es die Tagebucheinträge in Schneiders Bourdeaux-Tagebuch an diesem Abend haben vermuten lassen.

(Sebastian Ernst)


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