Schlangen im Garten. Stefanie vor Schulte liest aus ihrem neuen Roman 

Stefanie vor SchulteStefanie vor Schulte

Freitag, 20.1. – 18:30 Uhr
KiZ (Kongresshalle)
Südanlage 3a
35390 Gießen

Gästebuch |GAGAZ | Landbote

Eintritt: 6 € | erm. 4 € | LZG-Mitglieder frei

Am Freitag, den 20.1., begrüßte das LZG die Autorin Stefanie vor Schulte mit ihrem neuen Roman Schlangen im Garten im KiZ. Sie las vier Textpassagen vor und gab so einen detaillierten Einblick in das Leben von Familie Mohn, das durch den Tod der Mutter und Ehefrau Johanne plötzlich auf den Kopf gestellt wird. »Im Buch geht es um die Bewältigung von Trauer. Keines der Familienmitglieder weiß, wie das eigentlich funktioniert«, leitete die Autorin ihre Lesung ein. Es gebe nun mal keine geregelte Methode, zu trauern.

Bei Linne, Steve und Micha, den Kindern in der Geschichte, äußert sich die Trauer teils in Form von Niedergeschlagenheit und Aggressivität. Adam, der Vater, hat sein Leben nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau nicht mehr im Griff und wird völlig chaotisch. Alle möchten zwanghaft an der Verstorbenen festhalten, und so entwickeln die Familienmitglieder ihre ganz eigenen Methoden, mit ihrer Trauer umzugehen: Zum Beispiel das Erfinden fantasievoller Geschichten, die sie angeblich mit Johanne erlebt haben. Der Autorin zufolge veranschaulichen diese »Märchen«, dass jede*r aus der Familie die Verstorbene anders wahrgenommen hat. Das, was sie an Johanne besonders geschätzt hätten, würde in den Geschichten deutlich, etwa ihr kämpferischer Charakter. »Die Figuren bewegen sich im magischen Realismus – das gibt ihnen ein Gefühl von Befreiung. Es ist die einzige Möglichkeit, die sie in ihrer Situation haben.« Darüber hinaus entwickeln Adam und die Kinder ein bizarres Verhalten, um Johanne noch einmal nah zu sein: Sie essen ihre Tagebucheinträge. Dies sei einerseits »die einzige Nähe, die sie der Verstorbenen noch geben können«, erläuterte Stefanie vor Schulte. »Außerdem wird hier deutlich, dass Trauer unverdaulich ist.

Als sich die Situation schließlich immer weiter zuspitzt und auch die Nachbarn vom sich zunehmend verschlechternden Zustand der Familie erfahren, alarmieren sie das Traueramt. Dieses verlangt von den Familienmitgliedern, dass sie Johanne loslassen und sich insbesondere auch von persönlichen Gegenständen der Verstorbenen trennen müssen, um den Tod zu verarbeiten. »Das Traueramt verlangt im Prinzip genau das Gegenteil von dem, was die Familie macht«, sagte die Autorin. Da es versuche, in das Verhalten der Familie einzugreifen und sie dadurch kontrollieren zu wollen, repräsentiere das Traueramt den Staat. »Es ist der Versuch, alles zu reglementieren, was nicht zu reglementieren ist.« Trauer lasse sich keineswegs durch auferlegte Regeln bewältigen und benötige vor allem eines: Zeit.

Auf die Frage, was es mit dem Titel des Romans, Schlangen im Garten, auf sich hat (in der Geschichte kommt nämlich keine Schlange vor), entgegnete die Autorin, dass eines ihrer Kinder den Ausdruck vor ein paar Jahren aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt habe. Seitdem sei er ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und nun habe sie mit ihrem Roman eine Geschichte für diesen Titel gefunden. Was ihr ebenfalls gut daran gefalle, sei die Tatsache, dass man mit einer Schlange sowohl positive als auch negative Assoziationen verbinden könne: Zum einen ist sie meist giftig und damit ein gefährliches Tier, sie steht aus christlicher Perspektive für die Vertreibung aus dem Paradies. Zum anderen kann ihr Gift jedoch auch heilend wirken. Wie genau Stefanie vor Schulte dies auf ihren Roman bezieht, führte sie zwar nicht weiter aus, jedoch kann man sagen, dass auch Trauer – sowohl im Roman als auch generell – zwei Seiten hat: Auf der einen Seite stehen Schmerzen und Ängste, die mit dem Verlust einer geliebten Person einhergehen, auf der anderen Seite steht aber auch der Zusammenhalt der zurückgelassenen Angehörigen und deren Hoffnung, dass dieser Schmerz vergänglich ist.

Am Ende der Veranstaltung betonte Stefanie vor Schulte noch einmal, dass jede*r einen eigenen Weg finden muss, zu trauern. Echte Erinnerungen seien bei der Trauerbewältigung nicht entscheidend. Vielmehr gehe es um das Gefühl, das man mit einer verstorbenen Person verbinde. Da Trauer ein Thema ist, mit dem viele Menschen schon einmal konfrontiert waren, gelang es der Autorin, das Publikum mit ihrer Geschichte um Familie Mohn schnell in ihren Bann zu ziehen und emotional zu berühren. Dazu trug auch ihre Stimme bei, die während des Vorlesens einen melancholischen, zur Thematik passenden Unterton hatte. Das LZG bedankt sich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Stefanie vor Schulte für die unterhaltsame Lesung und bei Nicolaus Webler für die gelungene Moderation.

 

                                                                                                                             Charleen Tamm


Drucken

TOP

Literarisches Zentrum Gießen e.V.
Südanlage 3a (Kongresshalle)
35390 Gießen

Telefon: 0641 972 825 17
Telefax:  0641 972 825 19
E-Mail:    info@lz-giessen.de

ÖFFNUNGSZEITEN BÜRO:

MO  10.00 - 14.00 Uhr
DI    15.00 - 19.00 Uhr
DO  10.00 - 14.00 Uhr

SOCIAL NETWORKS & KONTAKT

© Copyright 2024 Literarisches Zentrum Gießen e.V. Alle Rechte vorbehalten.