Elisa Wächtershäuser. Club der jungen Dichter trifft OVAG-Jugendliteraturpreis 

Elisa Wächtershäuser, Madelyn RittnerElisa Wächtershäuser, Madelyn Rittner

Dienstag, 8.10.19 – 19 Uhr

KiZ (Kongresshalle)
Südanlage 3a
35390 Gießen

 

Gästebuch | GAZ

Eintritt: 6 € | erm. 4 € | LZG-Mitglieder frei

VVK: Tourist-Info Gießen
Für LZG-Mitglieder über das LZG-Büro

Moderation: Madelyn Rittner (LZG)
 

Die erste Lesung im Jubelquartal hielt das Ausnahmetalent Elisa Wächtershäuser und beehrt das Literarische Zentrum Gießen (LZG) somit zum erneuten Mal. Moderiert von Madelyn Rittner verbrachten Publikum und Veranstalter (LZG) einen verregneten Abend unter der Stimme der jungen Autorin. Der OVAG-Gruppe, genauer dem Kontest des Jugend-Literaturpreises, entspringt eine Autorin, die es in sich hat. Elisa Wächtershäuser war zehn Mal für den Jugend-Literaturpreis nominiert und erreichte dabei beeindruckende fünf Mal den ersten Platz. 2007 präsentierte Wächtershäuser ihren ersten Text der Jury des OVAG. Die Kurzgeschichte »Auftakt« ist jener erster Text und handelt von jugendlichen Verliebtheitsgefühlen und Musik, die die Geschmäcker und Geister scheiden, aber auch zusammenführen kann. Gleich im darauffolgenden Jahr belegte ihre nächste Kurzgeschichte »Schattenspiel« den ersten Platz. So auch der erste Text, den Elisa Wächtershäuser bei ihrer Lesung am 8. Oktober 2019 in den Ausstellungsräumen des Kultur im Zentrum (KiZ) im Rahmen einer Lesung des Literarischen Zentrum Gießen zum Besten gab. »Vera ist für mich eine Figur, die versucht, ihr Leben auszuloten und zu finden«, so die Autorin über die Protagonistin in der Kurzgeschichte »Vor dem Herbst«. Dieses Bestreben macht die Figur nahbar, weniger jedoch ihr Handeln. Vera scheint gierig nach Macht. Durch eine Affäre, aber auch in der Familie, bieten sich Chancen, Druck auf andere auszuüben und die Stellung der anderen zum eigenen Vorteil und Vergnügen schamlos auszunutzen. Wächtershäuser thematisiert familiäre Machtverhältnisse und tut dies auf eine Art, die die Zuschauer*innen an ihrem Platz abholt und behutsam, aber mit klaren und bildhaften Worten, durch jede Szene der Geschichte führt.

Drei Texte führte die Autorin dem Publikum im Saal des KiZ vor das innere Auge. Drei Texte, und einer schauriger als der andere. Vielleicht lag es an dem Grau des Himmels oder dem Dauerregen, den der 8. Oktober mit sich brachte, aber auch ihr zweiter Text malte eine kalte Kulisse inmitten eines Instituts. Der oder die namenlose Protagonist*in ist auf der Suche nach Zwillingskindern. Schnell wird klar, dass es sich hierbei nicht um lebende Zwillinge handelt. Der*die Leser*in wird durch Gänge und Gassen geführt, kommt vorbei an einem Albino-Mädchen, einer Gehörknöchelchen-Sammlung, einem Torso voller Lungenwürmer und weiteren medizinischen Besonderheiten, die konserviert und gereinigt in Gläsern und Vitrinen zur Schau gestellt sind.

Bei Elisa Wächtershäuser stehen die Figuren im Vordergrund. Am liebsten setzt sie sich, nach eigener Aussage, mit Charakteren auseinander, die zwiespältig, obsessiv oder am Rande des Wahnsinns sind. Dieses Interesse am Menschen zeigt sich nicht nur in ihren Texten, sondern ist auch wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit als Medizinerin. Jener Hintergrund ist durch detaillierte Beschreibungen, beispielsweise einer Lunge und deren Verästelungen, die Wächtershäuser umschreibt, als wäre sie eine Pflanze, deutlich zu erkennen. Schlägt sich ihr medizinisches Wissen in ihren Texten nieder, so hat auch die Literatur Auswirkung auf ihre Tätigkeit als Ärztin. »Literatur hat mit Seelenzuständen zu tun«, in der Medizin und besonders in Gesprächen kann dieser Aspekt sehr hilfreich sein, so Wächtershäuser.

»Draußen schießen sie wieder«. So lautete der Titel der letzten Kurzgeschichte ihrer Lesung an diesem Abend. Das Erstaunen darüber, dass es ein Protagonist und keine Protagonistin ist, die uns hier ihre Augen und Ohren zur Verfügung stellt, war nur eine der wenigen Momente, die diese Geschichte für mich so reizvoll und aufwühlend macht. Ein Dreiergespann von Aussteigern, die ihr Glück im Wald in einer Hütte suchen, sind die einzigen Figuren in der Geschichte. Obwohl keine lebendigen Tiere vorkommen, hat die Geschichte etwas Tierisches. Nicht nur das animalisch, sexuelle Verhalten zweier der Charaktere und die Tatsache, dass die Figuren zeitweise auf menschliche Utensilien wie etwa Kleidung verzichten, sondern auch der Umstand, dass die Hauptfigur sich in ein anderes Geschöpf, einen Vogel, zu verwandeln scheint, sind einige dieser tierischen Merkmale, die Wächtershäuser am Menschen anwendet. Nicht nur dieser Text, auch die Kurzgeschichte »Die Tiere schlafen« handelt von Mensch und Tier, und Menschen, die sich wie Tiere verhalten oder sogar die Grenze zum Tierwerden antasten. Elisa Wächtershäuser bestätigt im Gespräch mit Madelyn Rittner, dass sie sich nicht nur für die menschliche, sondern auch sehr für die tierische Interaktion interessiere. Dieses Interesse lässt sie in ihren Texten von der Leine und eweckt fantastische und gleichzeitig verstörende Szenen zum Leben.

Auch in der Zukunft werden wir uns noch auf einige Veröffentlichungen von Elisa Wächtershäuser freuen können. Ihr Ziel ist es, weiterhin Kurzgeschichten zu produzieren und diese noch detail- und schichtenreicher zu gestalten. Einen eigenen Roman zu verfassen, findet Wächtershäuser, »wäre schön«.

(Maria Lang)


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