Die Geschichte von Kat und Easy. Susann Pásztor liest aus ihrem neuen Roman 

Donnerstag, 27.7. – 19 Uhr

KiZ (Kongresshalle)
Südanlage 3a
35390 Gießen

 

Gästebuch | GAZ 

 

 

Eintritt: 8 € | 6 € erm. | LZG-Mitglieder 4 €

Moderation: Lena Frewer (LZG)

 

Es ist die Geschichte der Fäden einer Freundschaft, die nach knapp 50 Jahren wieder aufzunehmen versucht werden. Es ist die Geschichte von heimlichen Wünschen, verschwiegenen Sehnsüchten und unausgesprochenen Gefühlen. Es ist die Geschichte der Jugend in den 1970er Jahren, in denen trotz neuer Freiheiten ein Gefühl von Verlorenheit präsent ist. Es ist die Geschichte einer frühen Liebe, eines tragischen Unfalls und einer späten Einsicht.

Es ist die Geschichte von Kat und Easy.

Mit ihrer Lesung am 27.7.2021 im KiZ zog Susann Pásztor das zahlreich erschienene Publikum unmittelbar in den Bann ihrer Geschichte. Kat und Easy schwirrten sogleich als lebendige und feinfühlig gezeichnete Charaktere durch den Raum - Kat, die Nachdenkliche und Wachsame, und Easy, die Unverstellte und Unbedarfte. Es ist die Silvesternacht des Jahres 1973: Kat und Easy liegen auf einer Matratze im Jugendzentrum der fiktiven Provinz Laustedt und unterhalten sich angeregt. Umso unvermuteter erschien daraufhin der anschließende Textausschnitt des Aufeinandertreffens von Kat und Easy nach nahezu 50 Jahren auf Kreta: Schweigsam sitzen die beiden 62-Jährigen im Auto und haben sich nichts zu sagen. Hier wird klar: Irgendetwas muss vorgefallen sein, dass die beiden ehemaligen Freundinnen entfremdet hat. Das deutet auch Pásztor an, indem sie die Freundschaft mit einem baufälligen Haus vergleicht, von alten Wunden spricht, die wieder aufgerissen werden und das umeinander Herumtänzeln als eine Art Choreographie umschreibt, die davon lebt, dass beide sich etwas verschweigen.

Was die beiden sich verschweigen? Das Geheimnis lüftet Pásztor während ihrer Lesung bewusst nur ansatzweise. So äußert sie selbst, sie lese nur die kleinen Wahrheiten vor und nicht die großen, da der Roman »peu à peu« beim Lesen unterhalten solle. Gerade dadurch erhält sie die Spannung des Publikums aufrecht, welches implizit aufgefordert wird, die Textpassagen der Jugendjahre in Laustedt mit den Textpassagen aus Kreta in Verbindung zu setzen und sich durch die vorgelesenen Teilstücke ein großes Ganzes zu erschließen - im Sinne einer »Geschichte, die Lust aufs selbst entdecken macht«.

 

Pásztor beendete die Lesung mit einem Blogeintrag, auf welchem Kat und Easy miteinander kommunizieren und über welchen sich beide wiedererkannten. Den Blog bezeichnet Pásztor als »Scharnier zwischen den 70er Jahren und der Gegenwart«. Während in der Gegenwart viel Unausgesprochenes zwischen Kat und Easy steht und beide nicht wirklich offen darüber reden, ist die Kommunikation über den Blog eine Möglichkeit, die Gedanken und ihre Gefühle bewusst zu formulieren und öffentlich zu teilen, sodass Leser*innen das Geschriebene verfolgen und kommentieren können. Dies verlangt eine andere Art und Weise, auf das Geschehen zu schauen und führt zu neuen Einsichten, wie jener von Kat: »Nichts geschieht umsonst: Nicht das Unglück, nicht die Freundschaft und schon gar nicht die Liebe«.

 

Neben solchen Gedankenanstößen und dem latenten Spannungsaufbau lebte die Lesung auch von dem humorvollen und munteren Charakter Pásztors, sodass insgesamt eine heitere Atmosphäre herrschte. Die gelesenen Textpassagen waren üppig an Leichtigkeit sowie sprachlicher Gewitztheit und wurden von Pásztor überaus spielerisch in verteilten Rollen vorgetragen. Auch im Gespräch mit Lena Frewer (LZG) stach Pásztors jugendliche, ironische und schlagfertige Art heraus. So wies sie beispielsweise bei der Frage nach dem Entfliehen aus Situationen mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass man mit 62 wohl nicht mehr so schnell weglaufen könne oder leitete eine Textpassage mit den Worten ein: »Wo könnte es romantischer zugehen als bei einer Heimfahrt im R4«.

 

Der Renault 4 ist dabei nicht der einzige Gegenstand im Roman, der an die 70er Jahre erinnert. Viele weitere Dinge verweisen direkt auf die damalige Zeit, seien es spezielle Musikstücke, Outfits oder sprachliche Formulierungen. Pásztor bezeichnete dies als »Farbspritzer, die an die 70er erinnern«. Gerade jene Farbspritzer erkannte das Publikum jener Generation nickenderweise wieder, ebenso schienen die privaten Anekdoten Pásztors Erfahrungen zu entsprechen, die einige aus dem Publikum während ihrer Jugend in den 70ern in ähnlicher Art und Weise gemacht haben und welche durch die Lesung wachgerufen wurden. Die hohe Identifikation mit der Thematik des Romans spiegelte sich auch in dem Gespräch nach der Lesung wider. So waren weniger Fragen zum Inhalt vorherrschend als vielmehr ein allgemeiner und persönlicher Erfahrungsaustausch über die damalige Zeit, über neue Freiheiten, aber auch schmerzhafte Selbstversuche. Auf die Frage hin, ob autobiographische Züge in ihrem Roman steckten, antworte Pásztor schmunzelnd, sie sei auch auf einem Dorf aufgewachsen, in welchem es ein Jugendzentrum mit Matratzen gegeben habe. Zudem stecke eine Menge von ihr in Kat und Easy. Dies sei das Gute am Schreiben: Man könne sich auf verschiedene Figuren verteilen und Erinnerungen einflechten, die wahnsinnig geprägt und bewegt haben.

 

Bewegt – das hat auch die Lesung selbst.  So waren Lob und Begeisterung für die Autorin und ihren Roman Treiber der Gesprächsrunde, welche eine nuanciert vorgetragene und pointiert ausgestaltete Lesung mitsamt andauerndem Applaus terminierte.

Die Geschichte von Kat und Easy ist Susann Pásztors viertes Buch, das bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Ihr letztes Buch Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster wurde 2018 mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet.

 

(Mareike Uhlmann)


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