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Anne Gesthuysen | Mädelsabend 

Kiepenheuer & Witsch 2018
377 Seiten
22,00 Euro

ISBN 978-3-462-05150-6

von Sophia Trogemann | Download

Zwei Frauen am Niederrhein stehen vor einer wichtigen Entscheidung – Brauchen Großmutter und Enkelin ihre Ehemänner, um ein erfülltes Leben zu führen? Ruth und Walter sind seit über 60 Jahren miteinander verheiratet, als sie gemeinsam in das Seniorenheim Burg Winnenthal ziehen. In dieser neuen Umgebung geht Ruth vollkommen auf, freundet sich mit den Bewohnerinnen an und lässt sich von der Lebenslust der Witwen mitreißen. Walter hingegen hat damit zu kämpfen, dass seine Frau viel Zeit mit den neu gewonnenen Freundinnen aus dem Singkreis verbringt. Er fühlt sich unwohl in der Nähe der tratschenden Frauen und ist ihnen gegenüber misstrauisch. Burg Winnenthal ist nicht der richtige Ort für ihn und er wünscht sich nichts sehnlicher, als so schnell wie möglich in ihr gemeinsames altes Haus zurückzukehren. Alles soll so bleiben, wie es auch schon die letzten Jahrzehnte lang war. Ruth wird bewusst, dass ihre Ehe kurz vor dem Aus steht und sie blickt auf das letzte halbe Jahrhundert zurück, um eine Entscheidung treffen zu können. In Rückblenden wird erzählt, wie Walter und Ruth sich im Nachkriegsdeutschland kennenlernten. Dabei wird besonders deutlich, wie stark ihr Leben durch Konventionen geprägt wurde und wie wenig Selbstbestimmung besonders Ruth in dieser Zeit zur Verfügung stand. Im Alter blüht die lebenslustige Frau auf und sieht den Umzug in das Pflegeheim als einen Schritt in die Freiheit.

 

Die jüngere Generation wird durch Enkeltochter Sara widergespiegelt, die mit ihrem Mann Lars und ihrem kleinen Sohn Paul zusammenlebt. Im alltäglichen Leben versucht Sara, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Sie sucht Rat bei Ruth, als sie vor eine alles verändernde Entscheidung gestellt wird. Mit der Nachricht, dass sie ein Forschungsstipendium in Cambridge erhält, wird ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Kann sie sich überwinden, Mann und Kind am Niederrhein zurückzulassen, um ihre Karriere weiter voranzutreiben? Oder stellt sie ihre beruflichen Träume zurück, um bei ihrer Familie bleiben zu können? Sara möchte in Gesprächen von der Lebenserfahrung ihrer Großmutter profitieren und hofft auf weise Ratschläge.

 

Anne Gesthuysen erzählt die Geschichte zweier Frauen und verknüpft auf raffinierte Art und Weise Vergangenheit und Gegenwart miteinander. Vom Zweiten Weltkrieg bis in die heutige Zeit begleiten die Leser*innen eine starke Frau, die in ihrem Leben häufig mit patriarchalen Machtstrukturen konfrontiert ist und sich durch gesellschaftliche Umbrüche kämpft. Mit der Figur Sara zeichnet Anne Gesthuysen wiederum eine junge Frau, die zwischen Familie und Karriere steht. Ihr Familienglück wird auf die Probe  gestellt und sie muss sich auf das besinnen, was ihr im Leben wirklich wichtig ist. Doch das ist leichter gesagt als getan – Wie soll sie sich entscheiden?

 

In der Geschichte um Oma und Enkelin werden Freiheit und Selbstverwirklichung in verschiedenen Generationen thematisiert. Es geht darum, wie Frauen ihren persönlichen Weg zum Glück finden und aus welchen Beweggründen sie ihre Entscheidungen treffen. Mit Mädelsabend hat Anne Gesthuysen einen rührenden Generationenroman geschrieben, der zum Nachdenken anregt. Gleichzeitig ist er nicht zu melancholisch und an angemessenen Stellen humorvoll. Die Geschichte zeigt, dass sich das Bild von einem Familienleben sowie der Liebe zwischen Eltern seit dem Zweiten Weltkrieg verändert hat. Es geht um das echte Leben und das bietet den Leser*innen die Möglichkeit, sich leicht in die Figuren hineinzuversetzen. Vielleicht auch gerade deshalb handelt es sich bei Mädelsabend um keinen besonders spannenden Roman mit unerwarteten Wendungen, der dennoch lesenswert ist. Er birgt keine großen Überraschungen, sondern plätschert vielmehr still vor sich hin. Einige berührende Passagen geben uns Lebensweisheiten mit auf den Weg, denen wir uns nicht entziehen können.

 

Ganz besonders bleibt nach der Lektüre eine Botschaft im Gedächtnis: Triff die Entscheidungen, die dich glücklich machen. Um es mit Ruths Worten auszudrücken: „Das Leben ist keine Generalprobe“.

Sophia Trogemann


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