Abraham trifft Ibrahîm. Streifzüge durch Bibel und Koran. Lesung und Gespräch mit Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali 

Donnerstag, 31.1., 20 Uhr

Aula des JLU-Hauptgebäudes
Ludwigstr. 23
35390 Gießen

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Eintritt: 10 € | erm. 7 € | LZG-Mitglieder 5 €

 

VVK: Tourist-Info Gießen
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Moderation: Andreas Engelschalk (Evangelische Studierendengemeinde Gießen)

Am Donnerstag, den 31.1., begrüßten wir in der gut besuchten Aula des JLU-Hauptgebäudes Sibylle Lewitscharoff zur Lesung ihres neuesten Buches Abraham trifft Ibrahîm. Streifzüge durch Bibel und Koran. Es ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Najem Wali, der die Idee hatte, sich in dialogischer Form mit den beiden Schriften auseinanderzusetzen, um Einblicke in Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Weltreligionen zu ermöglichen. Selbst mit dem Koran vertraut, suchte Wali für die Realisierung dieses Buchprojektes eine Bibelkennerin und fand sie in der studierten Religionswissenschaftlerin Sibylle Lewitscharoff. Gemeinsam wählten sie neun Figuren aus, die in Bibel und Koran eine Rolle spielen. Aus beiden Perspektiven werden so etwa Abraham/Ibrahim, Eva/Hawwa oder Moses/Musa betrachtet und ihre jeweiligen Deutungstraditionen aufgezeigt und analysiert.

Die beiden, durch einen sehr unterschiedlichen Lebensweg geprägt, seien zuweilen selbst überrascht gewesen, wie sich die biblischen Charaktere in den Suren des Korans verändern. Lewitscharoffs erste religiöse Erfahrungen verbindet sie mit ihrer pietistischen Großmutter, die christliche Lieder sang und aus der Bibel vorlas. Durch diese positiven Kindheitserinnerungen entwickelte sie eine starke Verbindung zu der religiösen Schrift. Walis Leben und Werk hingegen ist stark von seiner Kindheit und Jugend im Irak geprägt. Nach dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges flüchtete er 1980 nach Deutschland und studierte Germanistik und Spanische Literatur.

Im Gespräch mit dem Veranstaltungsmoderator Andreas Engelschalk (Evangelische Studierendengemeinde Gießen) ging Lewitscharoff auf weitere Unterschiede der Schriften ein. So sei der Koran ein wesentlich poetischeres Werk als die Bibel. Geradezu sagenhafte Wesen, wie der sprechende Wiedehopf, würden darin auftauchen und eine orientalische Märchenwelt schaffen. Dafür sei der Koran aber auch häufig harmloser und ihm würde die biblische Dramatik fehlen. Gerade die oftmals knappen, wenig ausgeschmückten Sätze der Bibel würden viel Raum für Interpretation eröffnen und die Autorin besonders faszinieren. Auch die Figuren selbst seien im Koran weniger drastisch gezeichnet als in der Bibel.

Durch die Lesung wird deutlich: So unterschiedlich wie Bibel und Koran sind auch die Interpretationen von Wali und Lewitscharoff. Für die Lesung wurde die Figur des Teufels, auch Iblis oder Schaitan genannt, herausgegriffen. Während Lewitscharoff die biblische Interpretation las, wurde ihr Co-Autor Wali durch den Gießener Schauspieler Harald Pfeiffer vertreten, der den koranischen Teil übernahm. Mit ihren ausdrucksstarken Stimmen malten die beiden den Teufel in all seinem Schrecken an die Wand. Dabei wurde jedoch nicht vergessen, auch seine Schönheit und Verführungskunst zu erwähnen. Während Wali sich in seiner Interpretation stark am Koran orientiert, unternimmt Lewitscharoff über die Bibel hinaus auch Streifzüge durch die Literatur- und Kulturgeschichte. Dort begegnet sie zahlreichen satanischen Figuren. Um einer überwiegend christlich geprägten Leserschaft die Sicht des Korans näherzubringen, hätte Wali sich deutlich stärker an den religiösen Text gehalten, während Lewitscharoff es sich erlaubte, auch die Werke Dantes oder Thomas Manns zum Teufel zu befragen. Diese Freiheit nimmt sich die Autorin, denn sie gehe davon aus, dass dem Großteil ihrer Leser*innen die Bibeltexte vertraut seien.

Die Georg-Büchner-Preisträgerin Lewitscharoff betont, dass ihre Deutungen keineswegs rein theologische Abhandlungen seien. Tatsächlich wird durch die sprachgewaltigen Ausführungen in Abraham trifft Ibrahîm deutlich, dass beide Autor*innen im Metier des Romaneschreibens beheimatet sind. Ziel ihres Werkes sei es, einen Dialog zu eröffnen, Wissen zu vermitteln und beiderseitige Vorurteile abzubauen. In der heiter bis hitzigen Diskussion zwischen Autorin und Publikum wurde klar, dass einige dieser Vorurteile tief sitzen. Auf kontroverse Äußerungen regierte die Schriftstellerin ruhig und gelassen. Vorwürfe wie die Unreformierbarkeit des Islam und der Auslegung seiner religiösen Schrift wusste sie sachlich zu entkräften und verteidigte den Koran gegen haltlose Anschuldigungen. Sicher gäbe es Stellen in den Suren, die zur Gewalt gegen Andersgläubige aufrufen, diese ließen sich aber ebenso wie die charakterisierten Figuren auch in der Bibel finden. Die Autorin warnte eindringlich vor der „politischen Indienstnahme“ religiöser Schriften und appellierte an das Publikum, einen offenen, differenzierten Dialog aufrechtzuerhalten.
Sibylle Lewitscharoffs und Najem Walis Werk leistet dazu einen wichtigen literarischen Beitrag.

(Annabelle Schwager)


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